Die Entscheidung vom Donnerstag wurde am Freitag in Karlsruhe veröffentlicht. Damit ist noch nicht über die vielen Verfassungsbeschwerden gegen die Teil-Impfpflicht entschieden. Die umfassende Prüfung steht noch aus. (Az. 1 BvR 2649/21)
Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht soll alte und geschwächte Menschen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen, die ein besonders hohes Risiko haben, sehr schwer zu erkranken oder daran zu sterben. Sie gilt für Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken, aber zum Beispiel auch in Arztpraxen und bei ambulanten Diensten, für Hebammen, Physiotherapeuten und Masseure. Sie alle müssen bis 15. März 2022 nachweisen, dass sie voll geimpft oder kürzlich genesen sind.
Unklar war zunächst, ob unter «vollständig geimpft» zwei oder drei Impfungen zu verstehen sind. Neue Beschäftigte brauchen den Nachweis ab 16. März von vornherein. Für Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, gilt eine Ausnahme. Medienberichten zufolge sollen zahlreiche Pfleger und Pflegerinnen in den vergangenen Wochen bereits Konsequenzen aus der Impfpflicht gezogen und deshalb gekündigt haben.
Zusätzlich zu dieser einrichtungsbezogenen Impfpflicht plant die neue Bundesregierung aus SPD, Grüne und FDP eine allgemeine Corona-Impfpflicht ab 18 Jahren. Die Vorschläge dazu nahmen am Freitag mit der Vorlage eines ersten gemeinsamen Gesetzentwurfs aller drei Regierungsparteien konkrete Formen an. Demnach sollen die Krankenkassen zunächst bis zum 15. Mai 2022 alle Erwachsenen persönlich kontaktieren und über Beratungs- und Impfmöglichkeiten informieren. Ab 1. Oktober sollen dann alle Erwachsenen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland Nachweise über drei Impfungen oder als Genesene haben und sie auf Anforderung vorlegen - bei Behörden oder der Krankenkasse.
Geklagt gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht hatten überwiegend ungeimpfte Beschäftigte und auch Einrichtungsleiter, die weiter ungeimpftes Personal beschäftigen wollen. Die Richterinnen und Richter nahmen im Eilverfahren nur eine Folgenabwägung vor. Sie prüften, was die schlimmeren Konsequenzen hätte: wenn sie erst einmal alles laufen lassen, obwohl die Klagen berechtigt wären - oder wenn sie die Impfpflicht vorübergehend aussetzen und sich diese später als verfassungsgemäss herausstellt.
Diese Abwägung ging zum Nachteil der Klägerinnen und Kläger aus. «Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber», teilte das Gericht mit. Die Impfpflicht begegne «zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken».
Die Richter merken allerdings kritisch an, dass im Gesetz nichts Genaueres zum Impf- und Genesenennachweis stehe. Es werde lediglich auf eine Verordnung mit weiteren Verweisen auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verwiesen.
(SDA)