Es herrscht dicke Luft zwischen Deutschland und der Türkei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (63) liess mehrere Menschenrechtler ins Gefängnis stecken. Darunter der Deutsche Peter Steudtner. Der Grund: Angebliche Unterstützung von Terror-Organisationen.
Damit nicht genug. Auch deutsche Firmen in der Türkei wird Terrorunterstützung nachgesagt. Demnach stehen auf einer entsprechenden Liste 68 Unternehmen und Einzelpersonen, darunter Daimler und BASF.
Die Unternehmen sollen laut dem Bericht Verbindungen zur Bewegung des Predigers Fethullah Gülen haben. Diese wird in der Türkei als Drahtzieher des gescheiterten Putsches im Juli 2016 beschuldigt und als Terrororganisation verfolgt.
Reisewarnungen ausgesprochen
Genug ist genug, lautet der Tenor aus Berlin. Das Auswärtige Amt hat bereits Reisende zu erhöhter Vorsicht geraten. Grund dafür sei, dass «in einigen Fällen Deutsche von freiheitsentziehenden Massnahmen betroffen» gewesen seien, «deren Grund oder Dauer nicht nachvollziehbar war». Die deutschen Reiseveranstalter halten trotz der Krise an ihrem Türkei-Geschäft fest.
Zudem stellt Deutschland die staatliche Absicherung von Türkei-Geschäften seiner Wirtschaft durch Exportbürgschaften auf den Prüfstand. Investitionskredite und Wirtschaftshilfen müssten ebenso wie EU-Vorbeitrittshilfen überdacht werden, sagte Deutschlands Aussenminister Sigmar Gabriel am Donnerstag in Berlin.
Deutsche Wirtschaft besorgt
Die deutsche Wirtschaft reagierte besorgt. Sie erwartet zusätzliche Verunsicherung und noch mehr Zurückhaltung bei Investitionen in der Türkei und im Handel.
Insgesamt sind in der Türkei sind laut Industrieverband BDI 6800 deutsche Firmen aktiv. Das bilaterale Handelsvolumen liegt bei 37 Milliarden Euro. Deutschland ist laut Aussenwirtschaftsagentur wichtigster Abnehmer türkischer Produkte und hinter China zweitgrösster Lieferant.
EU-Zahlungen in Gefahr
Von Kanzlerin Angela Merkel erhielt Gabriel Rückendeckung für die Neuausrichtung der Türkei-Politik: Die Massnahmen seien «angesichts der Entwicklung notwendig und unabdingbar», schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter.
Die von Gabriel geforderte Überprüfung von EU-Zahlungen an die Türkei muss laut EU-Kommission im Kreis der Mitgliedstaaten diskutiert werden.
«Alle Finanzierungsentscheidungen werden gemeinsam von den Mitgliedstaaten getroffen», sagte ein Sprecher in Brüssel. Schon heute würden EU-Finanzhilfen lediglich in sorgfältig ausgesuchte Bereiche fliessen.
Die jüngsten Inhaftierungen von Menschenrechtlern in der Türkei seien zutiefst beunruhigend. «Wir rufen zur sofortigen Freilassung dieser Leute auf», sagte der Sprecher.
Türkei ist empört
Der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, warf der deutschen Regierung versuchte Einflussnahme auf die türkische Justiz im Fall Steudtner vor. Kalin verurteilte die Reisehinweise, mit denen Deutschen zu erhöhter Vorsicht geraten wird.
Die feindselige Einstellung gegenüber Erdogan habe in Deutschland «das Niveau von Verfolgungswahn» erreicht. (SDA/jmh)