Er war eine der prägenden Figuren in Deutschlands jüngerer Geschichte: Hans-Dietrich Genscher. Gestern starb der langjährige Aussenminister und FDP-Chef im Alter von 89 Jahren an Herz-Kreislaufversagen, wie sein Büro in Bonn mitteilte.
Genscher amtete von 1969 bis 1974 als Innenminister, danach war er bis 1992 fast ununterbrochen Aussenminister.
In diese Zeit fällt auch die Wiedervereinigung Deutschlands 1990, an der er massgeblichen Anteil hatte.
Er stand für eine «aktive Entspannungspolitik» zwischen Ost und West und das Zusammenwachsen Europas zur Europäischen Gemeinschaft.
Historischer Moment
Für einen historischen Moment sorgte Genscher, als er am 30. September 1989 auf dem Balkon der deutschen Botschaft in Prag vor Tausenden DDR-Bürgern, die dort Zuflucht gesucht hatten, eine Rede hielt.
Unter Jubelschreien verkündete er damals: «Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist.»
Tiefschlag Olympia-Massaker München
Als Innenminister erlebte er 1972 das Massaker an 11 israelischen Sportlern bei den olympischen Spielen in München. Das Scheitern der Geiselbefreiung bezeichnete er später als Tiefpunkt seiner Karriere.
Auch nach seiner Amtszeit war Genscher weiter politisch aktiv. So nahm er 2013 bei der Freilassung des russischen Putin-Kritikers Michail Chodorkowski eine wesentliche Vermittlerrolle ein. Und er äusserte sich bis zuletzt auch immer wieder zu aktuellen politischen Themen.
Genscher, dessen Markenzeichen ein gelber Pullunder war, lebte seit 1977 in einer Kleinstadt bei Bonn. Er war zweimal verheiratet und hatte aus erster Ehe eine Tochter.