Deutscher Dschihad-Experte über Schweizer Nachrichtendienst
Zahnlos gegen den IS

Laut einem Dschihad-Experten steht es nicht gut um die Terrorbekämpfung in der Schweiz. Der Bundesnachrichtendienst widerspricht.
Publiziert: 22.08.2015 um 22:04 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 16:07 Uhr
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Augen und Ohren der Schweiz: Bei Leuk VS stehen die grossen Parabolantennen des Nachrichtendienstes.
Foto: Keystone
Von Guido Felder

Diese Einschätzung über die Sicherheit in Europa macht Angst: Der deutsche Dschihad-Experte Guido Steinberg erteilt den europäischen Geheimdiensten schlechte Noten. Vor allem der Schweizer Nachrichtendienst (NDB) macht ihm Sorgen. «Die Sicherheitsbehörden haben in der Schweiz weniger Vollmachten als die meisten Kollegen in Europa. Die Schweiz braucht eine robustere Terrorbekämpfung, sie hat besonderen Nachholbedarf.»

Er spricht insbesondere die Rückkehrer aus dem Dschihad an, die in der Schweiz «verstärkt» überwacht werden müssten. Steinberg: «Man muss in Europa mit weiteren Atten­taten rechnen. Das nächste Mal könnte es zum Beispiel Berlin, Genf oder Zürich treffen.»

Guido Steinberg kennt die Materie: Er ist Islamwissenschaftler am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit in Berlin. Er hat im Bundeskanzleramt im Bereich der Terrorbekämpfung gearbeitet. «Kalifat des Schreckens» heisst eines seiner zahlreichen Bücher zum Thema.

Für den Wissenschaftler ist klar: «Um gegen die steigende Bedrohung anzukämpfen, sind wir in Europa auf die Hilfe der amerikanischen Geheimdienste angewiesen.» Tatsächlich soll der Schweizer Nachrichtendienst im vergangenen Jahr nur dank ausländischen Geheimdiensten einen Anschlag mit Sprengstoff und Giftgas verhindert haben.

Der NDB verteidigt seine Arbeit. Die Kooperation mit anderen Ländern sei sehr eng, zudem liefen zurzeit «dank Hinweisen des NDB» Strafverfahren gegen mehrere Terrorverdächtige. NDB-Sprecherin Carolina Bohren: «Die Aussagen sind sehr pauschal und betreffen teilweise bekannte Schwachstellen, die der Gesetzgeber derzeit mit dem neuen Nachrichtendienst-Gesetz beheben will.»

Der NDB verfügt momentan über 266 Vollzeitstellen. Das neue Gesetz sieht weitere 20 Stellen vor. Zudem soll es neue Kompetenzen geben: Telefone abhören, Computer hacken, Privaträume verwanzen und den Datenverkehr überwachen. Allerdings braucht es dazu jeweils eine richterliche Zustimmung.

National- und Ständerat haben das Gesetz im Frühling gegen den Willen von SP, Grünen und GLP verabschiedet. Im September soll nach der Differenzbereinigung die Schlussabstimmung stattfinden. Voraussichtlich wird das Volk das letzte Wort haben. Nationalrat Daniel Vischer (Grüne, ZH) zu BLICK: «Wir werden gegen das Schnüffel-Gesetz sehr wahrscheinlich das Referendum ergreifen.»

«Verhandeln ist unmöglich»

Herr Steinberg, wie kann man den IS stoppen?
Guido Steinberg:
Die Luftschläge sind wichtig, aber es braucht auch Bodentruppen mit lokalen Streitkräften. Der Westen muss sunnitische Verbündete gewinnen, die gegen den IS kämpfen.

Soll man mit den IS-Terroristen verhandeln?
Unmöglich. Das sind Massenmörder, die nur Sieg oder Niederlage kennen. Es gibt nur eine militärische Lösung mit politischen Elementen: Der Westen muss helfen, im Irak und in Syrien eine politische Grundlage zu schaffen.

Ein Kalifat bis an die Schweizer Grenze: Wie realistisch sind die ­Eroberungspläne des IS?
Diese Pläne sind nicht realistisch, aber man muss die Zielvorstellung ernst nehmen. Vor allem Gebiete, die der IS als sein Territorium bezeichnet, wie etwa Spanien, Türkei, der Balkan oder Österreich, müssen sich hüten.

Wie gefährlich kann der IS für ­Europa werden?
Er ist keine existenzielle Bedrohung, denn er wird sich nicht bis Europa ausdehnen. Aber er wird sich mit Anschlägen bemerkbar machen. Auch in der Schweiz muss man damit rechnen.

Der IS finanziert sich zum grossen Teil durch den Verkauf von Erdöl. Wie weiss ich, dass ich kein Benzin aus IS-Quellen kaufe?
Diese Schattenwirtschaft betrifft unsere Versorgung hier nicht.

Herr Steinberg, wie kann man den IS stoppen?
Guido Steinberg:
Die Luftschläge sind wichtig, aber es braucht auch Bodentruppen mit lokalen Streitkräften. Der Westen muss sunnitische Verbündete gewinnen, die gegen den IS kämpfen.

Soll man mit den IS-Terroristen verhandeln?
Unmöglich. Das sind Massenmörder, die nur Sieg oder Niederlage kennen. Es gibt nur eine militärische Lösung mit politischen Elementen: Der Westen muss helfen, im Irak und in Syrien eine politische Grundlage zu schaffen.

Ein Kalifat bis an die Schweizer Grenze: Wie realistisch sind die ­Eroberungspläne des IS?
Diese Pläne sind nicht realistisch, aber man muss die Zielvorstellung ernst nehmen. Vor allem Gebiete, die der IS als sein Territorium bezeichnet, wie etwa Spanien, Türkei, der Balkan oder Österreich, müssen sich hüten.

Wie gefährlich kann der IS für ­Europa werden?
Er ist keine existenzielle Bedrohung, denn er wird sich nicht bis Europa ausdehnen. Aber er wird sich mit Anschlägen bemerkbar machen. Auch in der Schweiz muss man damit rechnen.

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Diese Schattenwirtschaft betrifft unsere Versorgung hier nicht.

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