FDP: Die deutsche FDP entspricht dem Schweizer Freisinn; allerdings sind die wirtschaftsliberale Orientierung und die innerparteiliche Zentralisierung stärker ausgeprägt. Und der grosse Unterschied besteht in der Machtposition: Die deutsche FDP ist eine kleine Partei, die in der Vergangenheit bereits die 5-Prozent-Hürde für den Einzug in den Bundestag verpasst hat.
Sie spielte lange Zeit als Juniorpartner das Zünglein an der Waage und entschied, ob die CDU oder die SPD den Kanzler stellen konnte. Heute, in einem System, in dem es mehrere kleine Parteien gibt, die wahrscheinlich im Bundestag vertreten sein werden (LINKE, Grüne, AfD), hat sie die Position der entscheidenden dritte Partei jedoch eingebüsst. Sie könnte in einer Jamaica-Koalition (CDU/CSU-FDP-Grüne) eine wichtige Rolle spielen. Sie wäre wieder in einer «Zünglein an der Waage»-Position, wenn CDU/CSU und FDP genug Sitze für eine Mehrheit im Bundestag zusammenbekommen würden.
CDU/CSU: Die CDU ist eine christlich-konservative Partei, die zusammen mit der SPD den deutschen Wohlfahrtsstaat trägt. Sie hat keine konfessionelle Bindung mehr, ist jedoch historisch stark durch die katholische Soziallehre geprägt. Die CSU kandidiert nur in Bayern, wo die CDU keine Sitze und Stimmen anstrebt.
Diese Schwesterpartei steht historisch rechts von der CDU, hat noch deutlichere katholische Prägungen und fordert die CDU häufig politisch heraus. Die Schweizer CVP hat viele Ahnlichkeiten mit der deutschen CDU. Sie steht in der Tradition der katholischen Soziallehre und ist eine Unterstützerin wohlfahrtsstaatlicher Sicherungen.
Während die CDU jedoch die führende Partei Deutschlands seit dem Beginn der Bundesrepublik (1949) ist, ist die CVP als Nachfolgerin der katholisch-konservativen Partei die Vertreterin der katholischen Minorität. Sie ist zudem eine klar konfessionell ausgerichtete, katholische Partei. Viel stärker als die CDU leidet die CVP unter dem Rückgang der Kirchenbindung der Wählerschaft. Und sie hat viel schlechter als die CDU neue und breite Wählerschichten erschlossen.
SPD: Die SPD ist Vertreterin der sozialdemokratischen Parteifamilie, ebenso wie die Schweizer SP. Die programmatische Ausrichtung der deutschen SPD ist jedoch viel moderater als jene der SP, die bewusst eine programmatische Polarisierung betreibt. Dies hängt mit der unterschiedlichen Struktur des Parteienwettbewerbs in beiden Ländern zusammen. Die deutsche SPD und die deutsche CDU kämpfen um die Wählerinnen und Wähler in der Mitte des ideologischen Spektrums und gleichen sich deshalb programmatisch stark an. Die SP Schweiz hat eine von der SVP klar abgegrenzte Wählerschaft, und wenn es überhaupt einen Kampf um den Wähler in der Mitte gibt, wird dieser durch Freisinn und CVP (eventuell BDP) ausgefochten. Sowohl SPD als auch SP Schweiz sind die Hauptunterstützerinnen des Ausbaus und der Sicherung des Wohlfahrtsstaates.
Grüne: Die deutschen Grünen gehören ebenso wie die schweizerischen Grünen zur ökologischen Parteifamilie. In Deutschland sind sie weniger eindeutig eine Wohlfahrtsstaatspartei wie in der Schweiz, wo die programmatischen Unterschiede zwischen Grünen und SP minimal sind.
AfD: Die AfD entstand ursprünglich als Anti-Euro-Partei. Sie ist jedoch heute vor allem eine rechtspopulistische Protestpartei, die für jene Wählerinnen und Wähler interessant ist, die der «classe politique» zutiefst misstrauen und die sich gegen die Folgen der Globalisierung und De-Nationalisierung wenden, indem sie den Mythos des souveränen Nationalstaates beschwört.
Die Partei ist wenig professionell geführt, durch vielfache Konflikte — auch persönliche Feindschaften — gespalten und hat stark unterschiedliches Führungspersonal. Programmatisch bestehen viele Überlappungen zur SVP in der Schweiz, die ebenfalls vom Misstrauen gegenüber der «classe politique» profitiert und die sich gegen internationalen Öffnung und Abhängigkeiten wendet. Die AfD ist jedoch eine neue Partei, die im programmatisch frei werdenden Raum rechts der CDU/CSU ein Angebot an die Bürgerinnen und Bürger machte.
Hingegen stammt die SVP aus der deutschsprachigen Schweiz und repräsentierte ursprünglich die wertkonservativen reformierten Bauern und das Gewerbe. Die Wandlung zur rechtspopulistischen Partei begann erst Anfang der 1990er Jahre im erfolgreichen Kampf gegen den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).