Es muss auch für ihn eine symbolische Handlung gewesen sein: Als Andreas Lubitz († 27) die Krankmeldung vor sich hat, die ihm für Dienstag, 24. März, und für die folgenden Tage das Fliegen untersagt, steckt er sie nicht etwa in eine Schublade – er zerreisst sie. In kleine Fetzen.
Der Co-Pilot, der Stunden später das Flugzeug übernimmt. Der seinen Captain aus dem Cockpit sperrt. Der die Maschine mit sich und 149 anderen Menschen an Bord in ein Bergmassiv in den südfranzösischen Alpen fliegt. Wie wurde dieser junge Mann von einem Fliegerfan zu einem Fanatiker, fähig zu einem Massenmord?
Von der Absicht ist der französische Staatsanwalt Brice Robin nach erster Auswertung des Voice-Recorders überzeugt: Lubitz brachte den Airbus A320 mutwillig zum Absturz. Selbstmord mag Robin das nicht mehr nennen. «Nicht, wenn man die Verantwortung für 150 Menschenleben trägt», sagt er der Presse.
Doch letztlich fragen sich seit Robins Klarstellung alle: Wie krank war Andreas Lubitz? Die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf (D) durchsuchte die dortige Wohnung des Co-Piloten sowie das Elternhaus in der Ortschaft Montabaur (siehe unten). Was sie findet, stützt Robins Darstellung der Ereignisse.
Andreas Lubitz verheimlichte diese Woche nicht zum ersten Mal eine Krankschreibung. Die Ermittler fanden weitere zerrissene Bescheinigungen. Lubitz’ Arbeitgeber Germanwings hatte sie nie zu Gesicht bekommen.
Warum behielt der junge Pilot die Sache für sich? Die Zeitung «Passauer Neue Presse» sprach mit einem seiner Freunde und fügt ein weiteres Puzzleteil hinzu: Lubitz sei «ein Freak» gewesen, «ein richtiger Fanat». Seit der Schule besessen vom Traum vom Fliegen. Seine Seglerfreunde drücken es weniger drastisch aus. Aber auch sie betonen, wie viel Lubitz diese Passion bedeutete.
Und dann soll er nicht mehr fliegen dürfen? Das muss für Andreas Lubitz eine Katastrophe gewesen sein.
Die Staatsanwaltschaft sagt nichts zur genauen Natur seiner Krankheit. Aber mehrere Medien berichten, dass er vor sechs Jahren seine Pilotenausbildung für mehrere Monate habe unterbrechen müssen – wegen psychischer Probleme. Die Rede ist von Burnout. Laut «Bild» war er danach anderthalb Jahre in psychiatrischer Behandlung.
2009 sei bei ihm eine «abgeklungene schwere depressive Episode» festgestellt worden. Danach durfte er seine Ausbildung fortsetzen.
Die Uniklinik Düsseldorf gab gestern ausserdem bekannt, Lubitz sei am 10. März für «diagnostische Abklärungen» vorbeigekommen. Details unterlägen der Schweigepflicht. Dass er wegen Depressionen in Behandlung war, dementiert eine Sprecherin aber gegenüber der Zeitung «Tagesspiegel».
Nichts ist gefährlicher, als ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hat, sagt man. Der Musterschüler Andreas Lubitz, dessen Lebenstraum geplatzt war, wurde für seine Mitmenschen zur tödlichen Gefahr. Das ist heute klar. Aber heute ist es zu spät.
Luzern – Andreas Lubitz hat verheimlicht, dass er angeschlagen ist. Muss man dem Arbeitgeber so etwas mitteilen? Arbeitsrechtlerin Gabriela Riemer-Kafka (56) von der Uni Luzern erklärt, wann man nicht schweigen darf: «Wenn eine Krankheit die Erfüllung der vertraglichen Pflichten ausschliesst oder gefährdet. Oder wenn Dritte gefährdet sind.»
Konkret hängt es vom Job ab. Und von der Krankheit. Wer etwa an Aids leidet und im Büro arbeitet, muss dem Chef davon nichts sagen. Denn die Ansteckungsgefahr ist äusserst klein. Auch bei psychischen Problemen gilt: privat! «Wenn aber Dritte gefährdet sein könnten, dürfte man das nicht verheimlichen», sagt Riemer-Kafka. «Doch schliesst gerade die psychische Erkrankung in der Regel diese Einsicht aus.» Andreas Lubitz handelte also illegal, als er sein Arztzeugnis zerriss. Die Jura-Professorin sieht aber nicht nur den Arbeitnehmer in der Pflicht: «Ich habe mich gefragt, warum der Arbeitgeber diesen jungen Mann nicht besser überwacht hat.» Denn: «Ernsthafte psychische Probleme sind in Kombination mit der Verantwortung eines Piloten ein typischer Fall einer Nichteignung.»
Luzern – Andreas Lubitz hat verheimlicht, dass er angeschlagen ist. Muss man dem Arbeitgeber so etwas mitteilen? Arbeitsrechtlerin Gabriela Riemer-Kafka (56) von der Uni Luzern erklärt, wann man nicht schweigen darf: «Wenn eine Krankheit die Erfüllung der vertraglichen Pflichten ausschliesst oder gefährdet. Oder wenn Dritte gefährdet sind.»
Konkret hängt es vom Job ab. Und von der Krankheit. Wer etwa an Aids leidet und im Büro arbeitet, muss dem Chef davon nichts sagen. Denn die Ansteckungsgefahr ist äusserst klein. Auch bei psychischen Problemen gilt: privat! «Wenn aber Dritte gefährdet sein könnten, dürfte man das nicht verheimlichen», sagt Riemer-Kafka. «Doch schliesst gerade die psychische Erkrankung in der Regel diese Einsicht aus.» Andreas Lubitz handelte also illegal, als er sein Arztzeugnis zerriss. Die Jura-Professorin sieht aber nicht nur den Arbeitnehmer in der Pflicht: «Ich habe mich gefragt, warum der Arbeitgeber diesen jungen Mann nicht besser überwacht hat.» Denn: «Ernsthafte psychische Probleme sind in Kombination mit der Verantwortung eines Piloten ein typischer Fall einer Nichteignung.»