Der Fall Gypsy Blanchard
Sie liess ihre Mutter ermorden – und kommt heute frei

Die Geschichte von Gypsy Blanchard erschütterte die Welt. Nach jahrelangem Missbrauch liess sie ihre eigene Mutter töten. Nun soll sie freigelassen werden.
Publiziert: 28.12.2023 um 13:24 Uhr
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Aktualisiert: 28.12.2023 um 16:48 Uhr
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Gypsy Blanchard stiftete 2015 ihren Freund zum Mord ihrer Mutter an. Nun kommt sie frei.
Foto: Tiktok
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Melissa MüllerRedaktorin News

Die US-Amerikanerin Gypsy Blanchard (32) wird am Donnerstag aus dem Gefängnis entlassen. Im Netz wird derzeit heiss über ihre Freilassung diskutiert. Blanchard liess 2015 ihre Mutter ermorden und wurde nach einem Geständnis zu zehn Jahren Haft verurteilt. Nach rund 8 Jahren kommt sie nun früher auf freien Fuss. 

Der Fall spaltet die Gemüter. Auf der einen Seite gestand Gypsy Blanchard, ihren damaligen Freund Nick Godejohn zum Mord angestiftet zu haben. Auf der anderen Seite machte sie jahrelangen Missbrauch durch. Denn Mutter Dee Dee Blanchard soll am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom gelitten haben – einer psychischen Störung, bei der Menschen bei anderen Personen Krankheiten vortäuschen oder herbeiführen, um medizinische Behandlungen zu erzielen.

Dee Dee verschaffte sich so Aufmerksamkeit und Kontrolle über ihre Tochter. Sie manipulierte Gypsy, Ärzte, Hilfsorganisationen, Freunde und Familienmitglieder. Auch hielt sie ihre Tochter grösstenteils in Isolation.

Lange Liste an falschen Krankheiten

Gypsy wurde von ihrer Mutter als geistig beeinträchtigt dargestellt und musste sich mehreren medizinischen Behandlungen unterziehen, die nicht nötig waren. Beispielsweise wurden US-Medien zufolge ihre Speicheldrüsen entfernt, nachdem Dee Dee ihrer Tochter ein Anästhetikum gab, welches sie zum Sabbern brachte. Ebenso wurde Gypsy grundlos über eine Magensonde ernährt. 

Dee Dee rasierte ihrer Tochter zudem regelmässig den Kopf, um den Eindruck aufrechtzuerhalten, dass Gypsy an Leukämie leide. Weitergehend soll die eigentlich kerngesunde Gypsy an Muskeldysthrophie gelitten haben, weshalb ihre Mutter sie in einen Rollstuhl setzte. Selbst das Alter ihrer Tochter fälschte die Mutter.

Die Ärzte konnte Dee Dee täuschen, indem sie ihnen sagte, die Krankenakten ihrer Tochter seien in einem Hurrikan zerstört worden. Sobald Mediziner hellhörig wurden und anfingen, Fragen zu stellen, wechselte sie die Ärzte.

«Es gab immer eine Ausrede»

Mit zunehmenden Alter realisierte Gypsy, dass etwas nicht stimmte. Zu «People» sagt die heute 32-Jährige: «Natürlich wusste ich, dass ich laufen konnte und keine Ernährungssonde brauchte, aber alles andere war für mich eine grosse Verwirrung. Es gab immer eine Ausrede. Ich habe Bedenken geäussert und sie hat sich sehr geärgert und angefangen, mich zu manipulieren.» Im Teenageralter soll Dee Dee sie auch beleidigt, geschlagen und getreten haben. «Es war einer Beziehung mit häuslicher Gewalt sehr ähnlich.» 

Gypsy begann dennoch zu rebellieren und meldete sich heimlich auf einem Dating-Portal an, wo sie Godejohn kennenlernte. Sie erzählte ihm von ihrem Leiden – und überredete ihn so zur Tat. Gegenüber «People» erzählt Gypsy: «Ich wollte verzweifelt aus dieser Situation herauskommen. Ich habe wirklich versucht, einen anderen Weg zu finden.»

«Ich liebe meine Mutter immer noch»

Gypsy gab ihrem damaligen Freund ein Messer und versteckte sich im Badezimmer, während er wiederholt auf ihre Mutter einstach. Dann versuchte das Paar, zu flüchten – erfolglos. Sie wurden nur wenige Tage später festgenommen. Godejohn wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. 

Heute bereut Gypsy die Tat. Sie erzählt der Zeitung: «Ich liebe meine Mutter immer noch. Und ich beginne zu verstehen, dass es etwas war, das vielleicht ausserhalb ihrer Kontrolle lag, wie eine Süchtige mit einem Impuls. Das hilft mir, mit dem Geschehenen klarzukommen und es zu akzeptieren.» Godejohn hingegen sagte Medienberichten zufolge, er würde es wieder tun, um Gypsy aus den Fängen Dee Dees zu befreien. 

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