«Der Effekt ist überwältigend und führt zu einer sofortigen Aufgabe der Zielperson»
Trumps Truppen wollten mit Hitzekanone auf Protestler los

Hitzekanonen verbrennen die Haut auf Distanz, Schallkanonen schädigen das Gehör: Die US-Polizei hatte vor, modernste Energiewaffen gegen Demonstranten einzusetzen. Aus einem simplen Grund kam es doch nicht so weit.
Publiziert: 17.09.2020 um 19:51 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2020 um 11:35 Uhr
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Mit solchen Schallkanonen (hier eine Übung in New York) wollte die Polizei in Washington auf Demonstranten los.
Foto: AP

Als am 1. Juni in Washington Demonstranten gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Strasse gingen, setzte die Polizei Schlagstöcke, Tränengas und Blendgranaten ein. Doch hatte die Polizei offenbar vor, mit noch ganz anderen Waffen gegen die Protestler vorzugehen.

Geplant war der Einsatz eines sogenannten Long Range Acoustic Device (LRAD), eines Supermegafons, mit dem die Polizei über grosse Distanz klare Durchsagen machen kann. Wie die «Washington Post» berichtet, fragte der oberste regionale Militärpolizist des Verteidigungsministeriums in einem E-Mail die Nationalgarde nach einem solchen Gerät.

Ein LRAD alleine zur Kommunikation macht durchaus Sinn. Doch im Mail wurde gefragt, ob das Gerät mit einer Hitze- oder Schallkanone ausgestattet sei. Das sind Energiewaffen, mit denen Menschen über weite Strecken getroffen werden können.

Körper wird 55 Grad warm

Die Hitzekanone wird Active Denial System (ADS) genannt. Ihre starken Mikrowellen dringen auch auf einer Entfernung von 500 Metern bis 0,4 Millimeter in die Haut ein und erhitzen sie auf rund 55 Grad. Das ist äusserst schmerzhaft und zwingt jeden zur Flucht.

Wegen der Effizienz und der geringen Kosten pro Schuss rüsten die Amerikaner immer mehr Kampfjets damit aus. Laut New York Times wollte Donald Trump 2018 damit Migranten an der mexikanischen Grenze aufhalten, sein Plan wurde aber von der damaligen Ministerin für Innere Sicherheit, Kirstjen Nielsen (48), gestoppt.

Lärm gegen Piraten

Die Schallkanonen sind nicht nur für Durchsagen auf grosse Entfernung entwickelt worden. Sie können auch laute, schmerzhafte Töne aussenden. Die akustische Waffe gelangte im zweiten Irak-Krieg zum Einsatz, um Durchsagen an Schiffe zu ermöglichen. Bekannt sind sie auch als Abschreckung für Piraten auf dem Meer.

In den USA verwendete die Polizei LRAD erstmals zur Zerstreuung von unbewilligten Demonstrationen am Rande des G20-Gipfels 2009 in Pittsburgh. Weil sie das Gehör schädigen können, verlangen die US-Ohrenärzte ein Einsatzverbot bei Demonstrationen.

Im Mail schrieb der Chef-Militärpolizist von Washington dann auch, dass das ADS die Truppen unterstützen und Gegner in Reichweiten, die über Kleinwaffen hinausgehen, «erreichen und auf sichere, wirksame und nicht tödliche Weise bekämpfen» könne. Und weiter: «Der Effekt ist überwältigend und führt zu einer sofortigen Aufgabe der Zielperson.»

Major als Whistleblower

Die Washington Post stützt sich bei der Berichterstattung auf Aussagen von Major Adam D. DeMarco von der Nationalgarde, der das Mail als Kopie ebenfalls erhalten hatte und der nun in einer eidesstattlichen Erklärung über die polizeiliche Gewaltanwendung in Washington Aussagen machte.

DeMarco hielt auch fest, dass die Energiewaffen in Washington nicht verwendet worden seien. Nicht, weil man sie nicht benützen wollte, sondern schlicht, weil keine verfügbar war. (gf)


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