Der Co-Pilot war krank und nahm Psychopillen
Er hat alle getäuscht!

Andreas Lubitz – mussten 149 Menschen sterben, weil seine Freundin ihn verlassen hatte?
Publiziert: 29.03.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 03:03 Uhr
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Die Tat von Co-Pilot Andreas Lubitz macht fassungslos.
Von Katia Murmann, Peter Hossli, Daniel Riedel und Roland Gamp

Mit 880 km/h fliegt der Airbus 320 von Barcelona (E) nach Düsseldorf (D). Die Reiseflughöhe von 11580 Metern ist erreicht. Es ist 10.30 Uhr. Pilot Patrick Sonderheimer verlässt das Cockpit. Vielleicht, weil er zur Toilette muss. Co-Pilot Andreas Lubitz (27) übernimmt. Von innen verriegelt er die Tür. Und leitet sofort den Sinkflug von Germanwings 4U9525 ein.

Der Jet verliert 18 Meter pro Sekunde. Vergeblich versucht die französische Flugsicherung, Kontakt  aufzunehmen. Lubitz reagiert nicht. Er ist auf einer tödlichen Mission.

Nichts bringt ihn davon ab. Auch nicht der Pilot, der zurück ins Cockpit will. Erst klopft er, dann versucht er, die Türe einzutreten. Der Co-Pilot bleibt stumm. Nur ruhige Atemgeräusche zeichnet der Stimmenrekorder auf.

Acht lange Minuten sinkt die Maschine. Dann zerschellt sie an einer alpinen Felswand über dem französischen Örtchen Seyne-les-Alpes. 144 Passagiere und 6 Besatzungsmitglieder sind tot – Menschen aus fünfzehn Nationen. Darunter Schüler, Opernsänger, Studenten, Babys.

«Der Absturz war eine bewusste Handlung des Co-Piloten.» Das ist für die französischen Ermittler derzeit die denkbarste Ursache des Absturzes. Einen technischen Defekt schliessen sie aber nicht aus.

Quälende Fragen bleiben: Warum brachte Andreas Lubitz die Maschine zum Absturz? War es ein spontaner Entscheid oder von langer Hand geplant? Warum durfte er überhaupt im Cockpit sitzen?

Einige Antworten könnten Gerichtsmediziner liefern. Gestern fanden sie an der Absturzstelle sterbliche Überreste von Lubitz. Sie könnten Aufschluss geben, welche Medikamente er nahm, ob er unter Drogen stand.

Riss Lubitz 149 Menschen aus Liebeskummer in den Tod? Er soll in Düsseldorf  mit einer Lehrerin zusammengelebt haben. Angeblich waren sie verlobt. Laut «Bild» habe Lubitz vor dem Amokflug eine «schwere Beziehungskrise» durchgemacht.

Offenbar aber war er nicht gesund. Fahnder in Düsseldorf fanden Hinweise auf eine schwere «psychosomatische Erkrankung». Er sei von mehreren Neurologen und Psychiatern behandelt worden, habe «eine Vielzahl» von Medikamenten genommen. Persönliche Aufzeichnungen zeigten, dass er schwer depressiv war und unter einem «starken subjektiven Überlastungssyndrom» litt.

Deutsche Medien berichten, er habe in jüngster Zeit an Sehstörungen gelitten. Stimmt das, hätte er wohl seine Pilotenlizenz abgeben müssen. Dabei war Lubitz nichts wichtiger als die Arbeit im Cockpit.

Doch erklärt das eine solche Tat? Selbst wenn Lubitz lebensmüde war, warum riss er so viele Menschen mit in den Tod?

Der Psychiater Sebastian Haas, stellvertretender ärztlicher Direktor der Klinik Hohenegg in Meilen ZH, hält einen sogenannten Scheuklappeneffekt für möglich: Der zu allem entschlossene Suizident handele wie in Trance. «Dieser Zustand kann dazu führen, dass der Betroffene nichts mehr sieht, nichts mehr hört. Er ist dann im Extremfall von der Aussenwelt nicht mehr zu erreichen.»

Nicht durch Funksprüche, nicht durch das Klopfen des Piloten, nicht durch verzweifelte Schreie der Passagiere, wie sie der Stimmenrekorder vor dem Crash aufzeichnete.

Fassunglos macht der Absturz von Germanwings 4U9525 auch alle, die Lubitz kannten. In Montabaur (D) wuchs er auf, einer Kleinstadt mit 13000 Einwohnern im Westerwald.

Im Haus seiner Eltern verbrachte er oft das Wochenende. Der Vater, ein Ingenieur, arbeitet in der Schweiz, die Mutter ist Organistin. Lubitz hat einen Bruder.

Der Familienzusammenhalt scheint gross, so gross, dass Andreas gar nicht recht weg wollte von daheim. Kollegen nennen ihn «den Andi». In der Matura-Zeitung schrieben sie über seine Zukunft: «Wird Berufspilot, wohnt aber immer noch zu Hause.»

Das Fliegen lernte Lubitz beim LSC Westerwald (D) Schon als Schüler wusste er, dass er Pilot werden wollte. Französische Medien berichteten gestern, er habe mit dem Segelflugzeug mehrmals Ferien in Frankreich gemacht. Just in der Region, in der er den Airbus zum Absturz brachte.

Zufall oder Berechnung? Vereinskollege Peter Rücker (64) sah Lubitz das letzte Mal im Herbst 2014: «Von depressiver Stimmung oder einer Erkrankung wussten wir nichts. Da war kein Schwermut, nichts.»

Der junge Pilot scheint alle getäuscht zu haben. Vereinskollegen, Freunde, seinen Arbeitgeber. Wohl weil er wusste: Wenn seine Krankheit öffentlich wird, darf er nicht mehr fliegen. Und das Fliegen war doch sein Leben.

«Offenbar hat sich Lubitz extrem mit seinem Beruf identifiziert», sagt Psychiater Haas. «Er wusste: Wenn herauskommt, dass er erneut ernsthaft krank ist, wäre voraussichtlich Schluss mit der Fliegerei.» Das habe ihn in seiner ganzen Existenz bedroht.

In der «Bild»-Zeitung sagte eine Ex-Freundin gestern: «Er hat es getan, weil er gemerkt hat, dass durch seine gesundheitlichen Probleme sein grosser Traum von einem Job bei der Lufthansa so gut wie unmöglich wäre.»

Sie habe jedoch nicht mitbekommen, wie krank er wirklich war. «Er hat nie viel über seine Krankheit gesprochen. Nur, dass er deswegen in psychiatrischer Behandlung war.»

Psychiater Haas hält es für denkbar, dass niemand etwas von diesem Zustand mitbekommen habe. «Vermutlich war er sehr diszipliniert, konnte seine Ängste und anderen psychosomatischen Beschwerden gut verbergen.»

Hat Lufthansa, die Muttergesellschaft von Germanwings, wissentlich einen psychisch kranken Piloten fliegen lassen, dürften hohe Schadensforderungen folgen. Die Airline stellt den Angehörigen der 149 Opfer Soforthilfe von 50000 Euro bereit. Ob die Familie Lubitz auch Geld erhält, «hängt von den Ermittlungen ab», so eine Lufthansa-Sprecherin.

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