Der internationale Streit um das Schweizer Giftgas-Labor in Spiez BE geht in die nächste Runde. Nachdem die Organisation für das Verbot von chemischen Waffen (OPCW) im Fall Skripal den Bericht über die Gift-Untersuchung veröffentlicht hatte, meldete sich Sergei Lawrow zu Wort. Der russische Aussenminister warf der Organisation vor, den Bericht manipuliert zu haben.
Nadine Olivieri Lozano fand dafür deutliche Worte. «Das Statement ist unfassbar», sagte die stellvertretende Botschafterin der Schweiz am Mittwoch in Den Haag. «Ein Analysebericht unseres Labors wäre nicht in dieser Form verfasst oder formuliert.» Im Klartext: Der von Russland zitierte Bericht ist eine Fälschung.
Die Schweiz will Russlands Falschangaben nicht dulden
Dass Russland falsche Angaben verbreite, sei «inakzeptabel» und gefährde die Glaubwürdigkeit und Integrität der OPCW. Zudem würden Vertraulichkeitserklärungen zwischen der OPCW und den Laboren die Unparteilichkeit der Analysen sicherstellen, so Lozano.
Daneben rief die Schweizer Vertreterin Russland zur vollständigen Zusammenarbeit in dem Fall mit den britischen Behörden auf. Russland müsse berechtigte Fragen beantworten und zur Klärung des Falles beitragen.
Die Schweiz scheint gewillt, sich deutlich zu positionieren und russische Falschangaben nicht zu dulden. «Ich kann im Allgemeinen sagen, dass wir uns hier mitten in einem Informationskrieg befinden», sagte Aussenminister Ignazio Cassis, auch mit Blick auf Syrien, am Dienstag im SRF.
Skripal und Tochter wurden mit Nowitschok vergiftet
OPCW-Chef Ahmet Üzümcü wies ebenfalls Darstellungen Moskaus als falsch zurück, wonach zum Beispiel das auf C-Kampfstoffe spezialisierte Labor Spiez im Kanton Bern auch Spuren eines westlichen Giftes entdeckt hatte.
OPCW-Experten hatten festgestellt, dass Sergej Skripal und seine Tochter Julia mit dem in der damaligen Sowjetunion fabrizierten Giftstoff Nowitschok angegriffen worden waren. «Es gab keine andere Chemikalie, die von den Labors identifiziert wurde», sagte Üzümcü.
Der russische Aussenminister Sergei Lawrow hatte zuvor erklärt, dass ein Schweizer Labor in den Proben auch das im Westen produzierte Nervengift BZ entdeckt habe – gemeint hatte er das Labor Spiez. Angeblich lägen ihm «vertrauliche Dokumente» aus der Schweiz vor.
Der OPCW-Chef sagte, dass sich BZ in einer Kontrollprobe befunden habe. Solche Proben würde die OPCW nach ihrem Standard-Verfahren zu den Labors schicken, um die Qualität der Untersuchungsmethoden zu prüfen.
Grossbritannien bekräftigt Vorwürfe gegen Russland
Russland kenne die Prozedur rund um die Kontrollproben «ganz genau», sagte auch die britische Uno-Botschafterin Karen Pierce im Uno-Sicherheitsrat, wo sie sich mit dem russischen Uno-Botschafter Wassili Nebensja erneut einen Schlagabtausch lieferte. Dem russischen Aussenminister Lawrow warf sie ebenfalls «absichtliche Verwirrung» vor. Nebensja warf London im Gegenzug «Lügen und Mutmassungen» vor.
Grossbritannien bekräftigte seine Anschuldigungen gegen Russland. «Wir glauben, dass nur Russland die technischen Mittel, Erfahrungen und ein Motiv hat, die Skripals anzugreifen», erklärte der britische Botschafter Peter Wilson vor dem OPCW-Exekutivrat am Mittwoch in Den Haag.
Russland schade dem Ansehen der OPCW
Russland habe gegen die Chemiewaffenkonvention verstossen und dem Ansehen der OPCW geschadet, sagte der Diplomat. Die britische Delegation bei der OPCW hatte seine Bemerkungen, die in der nicht öffentlichen Sitzung fielen, über Twitter verbreitet.
Die Skripals waren am 4. März im südenglischen Salisbury bewusstlos gefunden worden. Grossbritannien macht Russland für den Anschlag verantwortlich. Moskau weist das vehement zurück. (SDA/kin)