Sie ist die neue Kaiserin Japans: Masako (55). Statt sich auf die Aufgabe zu freuen, fürchtete Masako den heutigen Tag, an dem ihr Mann Naruhito Kaiser wird (BLICK berichtete). Masako ist von bürgerlicher Herkunft, heiratete 1993 in Japans Kaiserfamilie ein. Und seit sie Mitglied dieser Familie ist, leidet sie an Depressionen.
Zwangsjacken des Palastlebens
Seit mehr als 15 Jahren hat die ehemalige Diplomatin eine Krankheit, die ihre Palastärzte lange als «Anpassungsschwierigkeiten» abtaten. An ihrem 55. Geburtstag letzten Dezember, Monate vor ihrem Aufstieg zur Kaiserin, sagte Masako: «Auch wenn ich mich unsicher fühle, wie hilfreich ich sein werde, wenn ich an die kommenden Tage denke ... Ich möchte mich dem Glück der Menschen widmen, also werde ich mich bemühen, dieses Ziel zu erreichen.»
Ihr Leidensweg war lang. Vom Palast ständig unter Druck gesetzt, platzte ihrem Gatten, Kronprinz Naruhito, 2004 der Kragen. Die Zwangsjacken des Palastlebens würden seine Frau negativ beeinflussen. Masako habe ihre Karriere und Persönlichkeit unterdrücken müssen, klagte der Kronprinz in einer raren Attacke «die um uns herum» an, den erzkonservativen kaiserlichen Hofstaat: «Ich denke, es wäre besser, wenn Prinzessin Masako mit etwas mehr Freiheit ausgehen könnte und in der Lage wäre, eine Vielzahl von Dingen zu tun», so Naruhito.
Einst selbstbewusst, dann im Goldkäfig
Masako hatte in Harvard und Oxford studiert, war weltgewandt und selbstbewusst. Sie spricht fliessend Englisch, Französisch und Deutsch und wurde von Japans Elite auch schon bezichtigt, dass sie mehr Ausländerin als Japanerin sei. Und sie ist noch dazu einige Zentimeter grösser als ihr Mann.
Mit dem Selbstbewusstsein der ehemaligen Karrierediplomatin war es vorbei. Die strenge Hofetikette der ältesten Erbmonarchie der Welt brach sie. Sie war eine moderne Frau mit Freiheiten und Rechten, die sie in dem Moment verlor, als sie in den Kaiserpalast einzog.
Mit der Heirat sind Masako selbst ihre geliebten Auslandsreisen verboten. Essen und Kleidung wird ihr vorgeschrieben. Keinen Schritt darf sie unbeaufsichtigt tun.
Ihre «Todsünde» aber war: Masako konnte keinen männlichen Nachkommen gebären. Eine Kaiserin sieht Japans Thronfolge nicht vor. 1999 erlitt Masako eine Fehlgeburt, zwei Jahre später brachte sie ein Kind zur Welt, aber nicht den von Palasthütern ersehnten Jungen, sondern ihre heute 17-jährige Tochter Aiko.
Symbol für die japanische Gesellschaft
All die strengen Regeln und Rituale im Palast sowie der Druck, einen Jungen gebären zu müssen, führten zu einer langen und schweren Depression. Viele im Volk fühlten mit ihr. Andere wiederum waren überrascht, dass ein hohes Mitglied der Kaiserfamilie solche Schmerzen leiden musste.
Nicht wenige Frauen im von Männern dominierten Japan sind mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie Masako. Japan belegte im globalen Gleichstellungsranking des Weltwirtschaftsforums (WEF) 2018 den 110. Platz unter 149 Nationen, den tiefsten Rang der sieben führenden Industrieländer. Laut Japans Arbeitsministerium besetzten Frauen 2017 gerade mal 11,5 Prozent aller Führungspositionen.
Masako wurde zum Symbol vieler Frauen für die japanische Männergesellschaft. Rika Kayama, Psychiaterin an Tokios Rikkyo Universität, behandelt zahlreiche Patientinnen mit ähnlichen Problemen wie Masako. Frauen, die immer gefordert und kaum gewürdigt sind. Die darum kämpfen, Kinder und eine Karriere zur gleichen Zeit zu haben: «In diesem Sinne kann man sagen, dass Masako sehr symbolisch für die japanische Gesellschaft ist», sagte Kayama der «Japan Times».
Auf dem Weg der Besserung
Naruhito hielt immer zu seiner Frau, verteidigte sie, ja Masakos Leiden führte die beiden noch näher zusammen. Lange Jahre blieb Masako von der Bildfläche verschwunden. Jetzt scheint sie endlich auf dem Weg der Besserung.
Letztes Jahr sagte sie, die Verbesserung ihrer Gesundheit ermögliche es ihr, mehr offizielle Aufgaben zu erfüllen. Im Februar 2018 besuchte ein Geigenkonzert in Tokio, wirkte entzückt und sprach mit Leuten, die neben ihr sassen, auch ihrem Mann. Zum ersten Mal seit 15 Jahren erschien sie zudem bei der halbjährlichen kaiserlichen Gartenparty.
Masakos Ärzte sagten, dass häufigere öffentliche Auftritte ihr Selbstvertrauen gestärkt haben, doch manchmal sei sie noch immer «müde». Es sei wichtig, dass sie nicht zu viel Druck ausgesetzt werde: «Es gibt Höhen und Tiefen zu ihrem Zustand.»
Nicht alle im Land halten die Harvard-Absolventin für eine würdige Kaiserin. Früher war Masako einigen zu selbstbewusst, jetzt zu schüchtern. Immerhin hat der Druck nachgelassen, einen Thronerben gebären zu müssen, seit Masako Schwägerin, die Frau von Prinz Akishino, 2006 ein Jungen und damit den wohl 127. Thronfolger Japans zur Welt brachte. (kes)