Kann Donald Trump (75) erneut US-Präsident werden? Es ist die Frage, welche die USA seit seiner Niederlage gegen Joe Biden (79) im November 2020 beschäftigt. Er selber glaubt ja, gar nie verloren zu haben und Opfer einer Wahlmanipulation geworden zu sein. Trump geht davon aus, bei den Vorwahlen von seiner Partei nominiert zu werden und sich dann gegen Biden durchzusetzen.
Doch in Georgia hat sich nun gezeigt, dass schon der erste Schritt schwerer sein dürfte, als der Ex-Präsident glaubt.
Trumps folgenschwere Niederlage in Georgia
Ausgerechnet Georgia. Seit 30 Jahren konnte hier kein demokratischer Kandidat mehr das Rennen um das Weisse Haus für sich entscheiden. Bis im November 2020 Biden mit einem Vorsprung von knapp 12’000 Stimmen gewann. Der republikanische Gouverneur Brian Kemp (58) segnete den Entscheid ab.
Trump akzeptierte das Resultat nicht. Er rief Brad Raffensperger (67) an, der für die Auszählung in Georgia zuständig war. Drängte seinen Parteikollegen dazu, neu auszählen zu lassen.
Parteifreunde widersetzten sich
Ein Videoausschnitt des Anrufs wurde von der «Washington Post» veröffentlicht. Hier geht es zum Transkribt des Gesprächs. Trump: «Die Menschen in Georgia sind wütend. Die Menschen im Land sind wütend. Es ist nichts falsch daran zu sagen, weisst du, dass ihr neu ausgezählt habt. Du musst nur 11’780 Stimmen finden.»
Raffensperger: «Nun, Herr Präsident. Das Problem ist, dass die Daten, die Sie haben, falsch sind. Ich stimme ihnen nicht zu, dass wir gewonnen haben.» Trump redete daraufhin minutenlang auf Raffensperger ein, doch dieser blieb stur. Wie auch Kemp. Trump verlor also in Georgia und musste das Weisse Haus verlassen. Er verzieh weder Kemp noch Raffensperger ihren «Verrat». Und schmiedete einen Racheplan.
Trump Kandidaten scheitern krachend
Diese Woche fanden in Georgia die republikanischen Vorwahlen für das Gouverneurs-Amt statt. Bereits im März reiste Trump deshalb in den Bundesstaat und verkündete, einen eigenen Kandidaten aufzustellen: «Bevor wir die demokratischen Sozialisten und Kommunisten im Herbst besiegen können, müssen wir zuerst die Rinos in den Vorwahlen schlagen. Hier in Georgia werden wir den Rino-Gouverneur Brian Kemp (Anm. der Red: Trump nennt parteiinterne Gegner neuerdings ‹Rino, Republicans in name only›) rausschmeissen und ihn durch einen furchtlosen Kämpfer ersetzen: David Perdue.»
Perdue mag furchtlos sein. Er war aber auch absolut chancenlos. Kemp sicherte sich mehr als 70 Prozent der Stimmen und darf nun im November gegen die demokratische Herausforderin Stacey Abrams (48) antreten. Es blieb nicht die einzige Niederlage für Trump.
Raffensperger, amtierender Innenminister von Georgia, lag bei den Hochrechnungen vor Jody Hice (62), der ebenfalls von Trump ins Rennen geschickt wurde. Und zwar ebenfalls deutlich, mit über 50 Prozent aller Stimmen. Das war noch überraschender, denn noch vor einem Jahr galt Raffensperger als chancenlos. Doch scheinbar ist er den republikanischen Wählern immer noch lieber als die Trump-Kandidatin, die mit demselben Motto kandidierte wie David Perdue: Dass die Präsidentschaftswahl 2020 gestohlen worden sei.
Mike Pence als Gegner bei der Präsidentschaftswahl?
Trump kehrte zudem mit einer dritten Pleite aus Georgia zurück. Diese könnte ihn nachdenklicher stimmen als die direkten Wahl-Pleiten: Kemp wurde von Mike Pence (62) unterstützt. Trumps ehemaligem Vizepräsidenten. Ihm werden spätestens jetzt ebenfalls Ambitionen fürs Präsidentschaftsamt nachgesagt. Am Montag sagte Pence: «Wer Kemp wählt, sendet eine ohrenbetäubende Botschaft quer durch Amerika, dass die Republikanische Partei die Partei der Zukunft ist». Damit meinte er aber auch: Eine Partei ohne Trump. Pence löste sich im Februar von Trump, als er sagte, dieser liege mit seinen Vorwürfen der Wahlmanipulation falsch. Und, vielleicht noch schlimmer für Trump: Er nannte dessen Versuch, seine Wahlniederlage 2020 mit allen Mitteln umzudrehen, «unamerikanisch».
Georgia ist das bisher deutlichste Alarmzeichen an Trump, dass er von seinem Ziel, erneut Präsident zu werden, wohl weiter entfernt ist, als er vermutete. Aber nicht das Erste. Denn auch sonst läuft in dieser Vorwahlsaison nicht alles nach seinem Geschmack. Die Republikaner stellen derzeit im ganzen Land die Kandidatinnen und Kandidaten für die Kongress- und Gouverneurswahlen im Herbst auf. Trump unterstützt einige von ihnen, um seine eigene Macht in der Partei zu stärken. Doch nicht alle gewinnen, besonders im Kampf um die Gouverneurssitze läuft es zäh.
«Trump ist kein absoluter Anführer»
Dazu passt: Die «NZZ» zitiert Elaine Kamarck von der Denkfabrik Brookings, die eine Zwischenbilanz zu den Vorwahlen gezogen hat und zum Schluss kommt: «Über 53 Prozent der republikanischen Kandidaten publizieren Wahlkampfmaterial auf ihren Websites, das weder auf Trump noch auf den Trumpismus verweist.» Mehr als die Hälfte hielten sich demnach von Trump fern. Laut Kamarck bedeutet dies: «Trump ist ein Hauptakteur in der Republikanischen Partei. Aber er ist kein absoluter Anführer.»
Experten sagen aber auch, dass Trump derzeit nach wie vor die besten Chancen hat, republikanischer Präsidentschaftskandidat zu werden. Doch mit Mike Pence hat sich nun ein ernsthafter Widersacher erstmals offensiv positioniert. Andere könnten auch zu dem Schluss kommen, wenn sie die Resultate in Georgia sehen. Die Frage, ob Trump erneut Präsident werden kann, könnte dann schon bei den Vorwahlen der Republikaner um das höchste Amt der USA, und nicht erst im Kampf gegen Biden mit «Nein» beantwortet werden. (vob)