Die Demokratie siegte unter blauem Himmel. Mehr als 100 Meter lang waren die Schlangen vor vielen der Hongkonger Wahlbüros am Sonntag. Geduldig warteten die Wähler. Die Stimmung in der Sonderverwaltungszone: so friedlich wie seit Wochen nicht mehr. Am Ende holte sich das demokratische Lager bei den Bezirkesratswahlen 388 der 452 Sitze, die Wahlbeteiligung lag bei 71 Prozent – absoluter Rekord!
«Wie auch immer man darauf schaut, das ist historisch», twitterte Menschenrechtsaktivist Joshua Wong (23). Der Hongkonger Protestführer war selbst nicht zur Wahl zugelassen worden. «Unsere Stadt entwickelt sich von halb autonom zu halb autoritär, aber wir zeigen, wie Demokratie aussieht.» Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kronkolonie nach dem Grundsatz «ein Land, zwei Systeme» unter chinesischer Souveränität autonom regiert.
Ergebnis bringt kaum Macht
Mehr als Symbolcharakter wird die Lokalwahl zunächst nicht haben. Denn die Bezirksräte verfügen kaum über Macht – weder können sie Gesetze verabschieden, noch andere nennenswerte Entscheidungen treffen. Sie beraten die Regierung und machen Vorschläge, wie sich die Lebensqualität in den Stadtteilen verbessern lässt.
Zwar erhält das dominierende Lager auch Sitze im 1200-köpfigen Wahlkomitee, das alle fünf Jahre den Hongkonger Regierungschef wählt. Dort allerdings hat die kommunistische Führung ein Hintertürchen eingebaut – und sichergestellt, dass am Ende der von Peking favorisierte Kandidat gewinnt.
Doch die Abstimmung zeigt, dass die Mehrheit in der Sieben-Millionen-Metropole nach fast sechs Monaten des Protests noch hinter der Anti-Regierungs-Bewegung steht. Das Wahlergebnis ist eine klare Botschaft an Peking – und eine Ohrfeige für die von der Kommunistischen Partei protegierte Regierungschefin Carrie Lam (62). Die will nun «demütig und ernsthaft» über den Ausgang des Votums nachdenken, wie sie gestern sagte.