Als es am Dienstagabend an der US-Ostküste dunkelte, wurde es still an den Wahlpartys der Demokraten. Böse Erinnerungen erwachten. An jene Wahlnacht vor zwei Jahren, als Donald Trump so unerwartet triumphierte. Es schien alles wie eine Wiederholung von 2016: In Florida zeigten erste Trends noch einen deutlichen demokratischen Sieg an – und mündeten dann plötzlich in eine bittere Niederlage.
Gouverneurskandidat Andrew Gillum, ein schwarzer Demokrat, hatte den ganzen Herbst über in den Umfragen geführt. Und jetzt, so zeigte die Auszählung der Stimmen, verlor er das Rennen um Floridas Gouverneursstuhl gegen den Republikaner Ron DeSantis. Ein bitterer Auftakt für die Trump-Gegner.
Aber je länger der Abend dauerte, je weiter westlich man blickte, desto klarer wurde es, dass die von den Demokraten (Parteifarbe Blau) erhoffte «blaue Welle» doch stattgefunden hatte. Sie hatten gut 9 Prozent mehr Stimmen erhalten als Trumps Republikaner. Mehr als jede andere Oppositionspartei seit den 1970er-Jahren. Im Senat verloren sie zwar weiter an Boden, aber das Repräsentantenhaus holten sie nach acht Jahren wieder zurück.
Es ist eine Zäsur – und keiner weiss das besser als Donald Trump selber.
Der triumphierte zwar am Mittwochmorgen auf Twitter. Lobte sich für den «Riesen-Sieg», zitierte einen Bewunderer, der fand, «Donald Trump kommt die Magie aus den Ohren» – aber dann kam er schnell auf das zu sprechen, was ihn ohne Zweifel jetzt mehr umtreibt: «Wenn die Demokraten glauben, sie könnten Steuergelder verschwenden, indem sie uns aus dem Repräsentantenhaus mit Untersuchungen überziehen, werden wir gezwungen sein, aus dem Senat heraus gegen sie zu ermitteln. Etwa wegen dem Verbreiten geheimer Dokumente.»
Bürgerkrieg zwischen den Parlamentskammern? Nun, Trump, der entgegen den Bitten der Geheimdienste lieber ein iPhone benutzt, das von Chinesen und Russen abgehört werden kann, wird es sich zweimal überlegen, bevor er Abgeordnete wegen angeblicher Indiskretionen anklagt. Aber eins stimmt: Trump hat Grund, Demokratenführerin Nancy Pelosi im Amt der Sprecherin des Hauses zu fürchten.
Im Sommer kursierte in Washington eine Art Albtraumliste aus dem Weissen Haus: all die Untersuchungen, welche die Trump-Regierung von einem demokratischen Repräsentantenhaus befürchtete. Man rechnete mit Ausschüssen zu:
- Trumps noch immer nicht veröffentlichen Steuerauszügen
- den laufenden Geschäften der gesamten Trump-Familie
- den Verbindungen der Trump-Kampagne 2016 zu Russland
- den Schweigegeldzahlungen an Porno-Star Stormy Daniels
- dem Rauswurf von FBI-Chef James Comey
- der Trennung von kleinen Kindern von ihren Eltern an der Grenze
- den massiven Spesenrittereien und Bereicherungen vieler Minister
und Dutzenden weiterer Themen.
Die Demokraten lassen keinen Zweifel, dass sie einige dieser Albträume wahr machen wollen. «Der Präsident wird erfahren, dass er nicht über dem Gesetz steht», sagte Elijah Cummings, der künftige Chef des mächtigen Aufsichtskomitees, das die Ministerien überwacht. Und Maxine Waters, von Trump stets als «Niedrig-IQ-Person» verspottet, wird Chefin des Finanzausschusses – und so bei Trump seine Steuerausweise praktisch bestellen können. Es wird sich zeigen, ob er der Aufforderung nachkommt oder ein Verfahren riskiert.
Ein Risiko werden die zwei Jahre bis zu den Präsidentschaftswahlen 2020 für beide Seiten. Wenn die Demokraten Trump ernsthafte Verfehlungen nachweisen können, dürfte das für ihn unangenehm werden. Wenn nicht, könnte der Übereifer der Demokraten für Trump zum Vehikel zur Wiederwahl werden.
Denn eines haben diese Wahlen gezeigt: Donald Trump ist noch lange nicht am Ende.