Weshalb hat US-Präsident Donald Trump FBI-Direktor James Comey entlassen?
Die offizielle Erklärung für Comeys Absetzung lautet, dass dieser im vergangenen Jahr beim Abschluss der Untersuchung zur E-Mail-Affäre von Donald Trumps demokratischer Konkurrentin Hillary Clinton schwere Fehler gemacht habe – und diesbezüglich keine Einsicht zeige. Comey erteilte Clinton zwar eine schwere Rüge und erklärte, sie sei «extrem nachlässig» mit geheimen Informationen umgegangen. Eine Strafuntersuchung empfahl Comey jedoch nicht. Elf Tage vor der Wahl im November 2016 gab er bekannt, dass neue E-Mails aufgetaucht seien, die im Fall Clinton möglicherweise relevant seien. Zwei Tage vor dem Urnengang sagte er schliesslich, es gebe nun doch keine Anhaltspunkte für eine Anklage.
Clinton glaubt, diese Einmischung seitens Comey habe die Wahl beeinflusst. Der FBI-Direktor sei somit mitverantwortlich für Trumps Sieg. Das ist aus Trumps Sicht natürlich nicht der Grund für Comeys Entlassung. Vielmehr hätte es im Interesse Trumps gelegen, dass Comey – wenn er Clinton denn schon rügte – auch eine Strafuntersuchung gegen sie empfohlen hätte.
Für Clintons Lager ist dieses angebliche Fehlverhalten nur ein vorgeschobener Grund. Der wahre Grund für Comeys Entlassung ist aus Sicht der Demokraten, dass Trump die Untersuchungen zur Russland-Connection seines Wahlkampfteams behindern und vertuschen will. Trump geht merkwürdigerweise in seinem Entlassungsschreiben für Comey sogar auf die Russland-Ermittlungen ein – obwohl sie nicht der Grund seien für den Schritt: «Ich weiss es zwar sehr zu schätzen, dass Sie mich in drei verschiedenen Situationen darüber informiert haben, dass nicht gegen mich ermittelt werde; dennoch stimme ich mit dem Justizministerium darin überein, dass Sie nicht in der Lage sind, das FBI effektiv zu führen.»
Warum lobt Trump Comey zuerst – und entlässt ihn jetzt?
Comey half dem Trump-Team mit seinen öffentlichen Auftritten zum E-Mail-Skandal um Hillary Clinton während des Wahlkampfs. Das stiess auf Wohlwollen: Im Januar schickte ihm der neu gewählte Präsident bei einer Veranstaltung sogar Luftküsse zu. Doch Comey sorgte auch immer wieder für Verärgerung. Zuerst weil er letztendlich doch keine Untersuchung gegen Clinton empfahl. Zuletzt im März, als er dem Präsidenten öffentlich widersprach und Trumps Behauptung, dieser sei in seinem Trump-Tower von der Administration seines Vorgängers Barack Obama abgehört worden, als völlig haltlos hinstellte.
Comey bewegte sich bei seinen Bemühungen, als unabhängig angesehen zu werden, gefährlich zwischen den politischen Fronten und schuf sich mit seinem Zickzackkurs viele Feinde. Bezeichnend, dass auch die Demokraten Comey gegenüber gemischte Gefühle haben. So nimmt der Führer der demokratischen Minderheit im Senat, Chuck Schumer, den von Obama eingesetzten Comey inzwischen in Schutz, während er im November noch gesagt hatte, er habe das Vertrauen in ihn verloren.
Wie viele Topleute hat Trump in den 111 Tagen seit Amtsantritt bereits davongejagt?
Comey ist nicht der erste hohe Beamte, der unter Trump den Sessel räumen muss. Als Erste musste Justizministerin Sally Yates dran glauben, nachdem sie den Präsidenten öffentlich kritisiert hatte. Dann war Sicherheitsberater Michael Flynn an der Reihe, der über die Russland-Affäre stolperte.
Sind die Untersuchungen der Russland-Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam mit Comeys Entlassung beerdigt?
Mit Comeys Absetzung bringt Trump die Russland-Untersuchungen nicht zum Verschwinden, aber er bremst sie. Bis Trump einen neuen Direktor ins Amt hievt, kann es Monate dauern.
Mehrere US-Medien schreiben, dass Comey Tage vor der Entlassung mehr finanzielle Mittel beim Justizdepartement forderte, um die Ermittlungen wegen Russland-Kontakten von Trumps Wahlkampfteam auszubauen. Bestätigt wurde das bisher jedoch nicht.
Schadet sich Trump nur selber?
Tatsächlich machen nach Comeys Entlassung bereits Erinnerungen an die Watergate-Affäre die Runde. Man hegt in Washington zum Teil den Verdacht, dass Trump – wie einst Präsident Richard Nixon – versucht, die Durchsetzung des Gesetzes illegal zu behindern.
Die Demokraten rufen nach der Einsetzung eines Sonderermittlers in der Russland-Affäre. Dieser wäre für Trump schwierig zu kontrollieren.
Weil Comey innerhalb des FBI eine gewisse Popularität genoss, könnten seine Anhänger in Zukunft für Trump unangenehmes Material an die Öffentlichkeit durchsickern lassen.
Wer wird neuer FBI-Direktor?
Einen Tag nach Comeys Absetzung ist noch unklar, wer das Amt übernehmen wird. Das FBI mit 56 Vertretungen in den USA und mehr als 30'000 Mitarbeitern dürfte zuerst interimistisch von Vizechef Andrew McCabe geleitet werden. Der neue Direktor muss von Trump nominiert und anschliessend vom Senat bestätigt werden.