«Man muss Katar auch nach der WM weiter beobachten»
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Blick-Reporter über Reformen:«Man muss Katar auch nach der WM weiter beobachten»

Das Emirat gilt als sicherstes Land der Welt – auch dank massiver Überwachung
Wie man in Katar zum gläsernen Menschen wird

Katar gilt als eines der sichersten Länder der Welt. Bloss: Das kommt nicht von ungefähr. Wer nach Katar an die Fussball-Weltmeisterschaft reist, riskiert, zum gläsernen Menschen zu werden.
Publiziert: 03.11.2022 um 00:18 Uhr
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Fadia Wilson (39), Schweizerin in Katar, fühlt sich in Katar sicherer als in der Schweiz.
Foto: Blick
Ramona Schelbert, Tobias Ochsenbein

«Ich fühle mich hier in Katar sicherer als in der Schweiz – vor allem als Frau», sagt Fadia Wilson (39), Schweizer Expat in Doha.

«In Katar schliesst zu Hause nie jemand die Türe ab, Alarmanlagen brauchen wir hier nicht», sagt Ibrahim Mohamed Jaidah (61), katarischer Architekt.

«Mit der hohen öffentlichen Sicherheit sorgt Katar für das Wohlergehen seiner Bürger, Einwohner und Besucher. Katar hat auf dem Numbeo Crime Index in den Jahren 2021 und 2022 zwei Jahre in Folge den ersten Platz als sicherstes Land der Welt belegt. Die Hauptstadt des Landes, Doha, wird 2022 ausserdem als die zweitsicherste Stadt der Welt eingestuft», schreibt die katarische Tourismusbehörde auf ihrer Webseite.

Überwachungskameras, umstrittene Pflicht-Apps

Kein Wunder, denn: Um überhaupt ein Visum für das Emirat zu erhalten, müssen Reisende sich mittels Passkopien, Hotel-Buchungsbestätigungen, Covid-Test und Impfzertifikat bei den staatlichen Behörden registrieren.

Am Flughafen geht es weiter. Wer ankommt, muss sein Gesicht in eine Kamera halten und seinen Fingerabdruck elektronisch scannen lassen. In der Stadt und den zahlreichen Shoppingcentern sind Kameras ständige Begleiter. Und im Hotel müssen Gäste ihre Taschen jeden Tag von neuem durch einen Röntgenscanner jagen.

Katar hat die Fifa ausspioniert

Es sollte nichts, aber auch gar nichts zwischen Katar und die Fussball-WM kommen. Um auf Nummer sicher zu gehen, taten die Scheichs wirklich alles. Mit Hilfe von Ex-CIA-Agenten liess das Emirat offenbar jahrelang Funktionäre des Weltfussballverbands Fifa und mögliche Konkurrenten ausspionieren. Das zeigen SRF-Recherchen.

E-Mail-Accounts, Computer, Telefone – selbst der Freundeskreis und die Familien von Fifa-Leuten wurden bespitzelt. Laut SRF finanzierte die Herrscherfamilie – darunter der heutige Emir – die riesige Abhöraktion. Deren Ziel: Verhindern, dass Katar die Weltmeisterschaft wegen der massiven Kritik verliert.

Während neun Jahren sollen allein für eine Teiloperation mindestens 66 Agenten im Einsatz gewesen sein. Das Budget dafür lag bei 387 Millionen Dollar.

Bei der Fifa scheint man von der Spionage nichts bemerkt zu haben. Im Interview mit SRF sagt der ehemalige Präsident Sepp Blatter (86): «Dass es eine organisierte Spionageaffäre in der Fifa gab, hat mich überrascht. Und es ist bedenklich, dass man das macht.» Sermîn Faki

Es sollte nichts, aber auch gar nichts zwischen Katar und die Fussball-WM kommen. Um auf Nummer sicher zu gehen, taten die Scheichs wirklich alles. Mit Hilfe von Ex-CIA-Agenten liess das Emirat offenbar jahrelang Funktionäre des Weltfussballverbands Fifa und mögliche Konkurrenten ausspionieren. Das zeigen SRF-Recherchen.

E-Mail-Accounts, Computer, Telefone – selbst der Freundeskreis und die Familien von Fifa-Leuten wurden bespitzelt. Laut SRF finanzierte die Herrscherfamilie – darunter der heutige Emir – die riesige Abhöraktion. Deren Ziel: Verhindern, dass Katar die Weltmeisterschaft wegen der massiven Kritik verliert.

Während neun Jahren sollen allein für eine Teiloperation mindestens 66 Agenten im Einsatz gewesen sein. Das Budget dafür lag bei 387 Millionen Dollar.

Bei der Fifa scheint man von der Spionage nichts bemerkt zu haben. Im Interview mit SRF sagt der ehemalige Präsident Sepp Blatter (86): «Dass es eine organisierte Spionageaffäre in der Fifa gab, hat mich überrascht. Und es ist bedenklich, dass man das macht.» Sermîn Faki

Am 20. November beginnt in der katarischen Hauptstadt Doha die Fussball-Weltmeisterschaft. Wer das Land am Persischen Golf als Fan besuchen will, muss eine digitale Hayya Card beantragen, als Einreiseerlaubnis und für den Zugang zu den Stadien.

Zudem müssen Touristen eine App mit dem Namen «Ehteraz» installieren. Sie diente während der Covid-Pandemie dem Contact Tracing. Heute muss man damit in Einkaufszentren oder öffentlichen Gebäuden sein Covid-Zertifikat vorweisen.

Bloss: «Ehteraz», die von Katars Innenministerium entwickelte Pflicht-App, ist umstritten. Weil sie einen massiven Eingriff in die Privatsphäre mit sich bringt. Denn damit die App überhaupt funktioniert, braucht sie Zugriff auf private Dateien. Das Problem: «Etheraz» benutzt nicht nur Bluetooth zur Kontaktverfolgung, sie kann mittels GPS-Daten auch den aktuellen Standort der Nutzerinnen und Nutzer verfolgen. IT-Experten von Amnesty International haben das System angeprangert.

Regulierter Alkoholkonsum

Wer nach Katar reist, riskiert, zum gläsernen Menschen zu werden. Das gilt auch beim Konsum von Alkohol.

Katar ist eines von vielen islamischen Ländern, in denen man nicht auf offener Strasse Alkohol trinken darf. Man kann alkoholische Getränke auch nicht in Läden kaufen. Die Qatar Distribution Company (QDC) ist der einzige Importeur und Einzelhändler von Alkoholprodukten. Es ist auch die Behörde, die Hotels im Land Genehmigungen erteilt, damit sie ihren Gästen Spirituosen verkaufen können. Wer als Privatperson dort einkaufen will, muss in Katar leben, braucht eine Bewilligung und einen vorgängig vereinbarten Termin zum Einkaufen – und muss mindestens 21 Jahre alt sein. Es gibt nur zwei QDC-Verkaufsstellen, davor bilden sich jeweils lange Autokolonnen.

Der Alkoholkonsum soll auch für Fussballfans in geregeltem Rahmen möglich sein. Laut den Turnierorganisatoren sollen Bierverkaufsstellen auf dem jeweiligen Stadiongelände jeweils bis 30 Minuten vor Beginn eines Spiels für zweieinhalb Stunden und nach Abpfiff nochmals für eine Stunde geöffnet werden. Zudem soll der Konsum von Alkohol in der Fifa-Fanzone im Stadtzentrum von Doha grundsätzlich ab 18.30 Uhr erlaubt sein. Auf den Tribünen in den Stadien hingegen sind alkoholische Getränke verboten.

Liberalere Vorschriften gelten in Bars von Luxus-Hotels. Zum Beispiel im Cavalli Club. Dieser befindet sich im obersten Stock eines Hotels. Besucher werden hier eigens von einem Türsteher mit dem Lift in die Bar eskortiert. Bevor sie überhaupt einen Schritt ins Lokal setzen können, wird der Pass kontrolliert und die Personalien aufgenommen.

Wer diese Prozedur schliesslich überstanden hat, dem verspricht ein Neonschild: «Shishas, Cocktails and Dreams». Wem der Durst ob der ständigen Überwachung dann noch nicht vergangen ist, der kann jetzt endlich anstossen – mit einem Bier für umgerechnet 14 Franken.

Was passiert in Katar nach dem WM-Schlusspfiff?
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