Der Corona-Tsunami, der in Indien wütet, hat das angrenzende Nepal erreicht - das Bergreich im Himalaya, das die Ausgangsbasis der meisten Mount-Everest-Bezwinger ist. Derzeit herrscht am höchsten Berg der Welt wieder die alljährliche Klettersaison. Nepal braucht dringend Devisen und lässt Bergsteiger aus aller Welt ins Land. Dies, obwohl das Coronavirus laut Berichten auch in einem Basislager am Fuss des Everest ausgebrochen ist.
Von China aus führt eine nördliche, weniger benutzte Aufstiegsroute auf den Berg. Dieses China fürchtet jetzt offenbar sogar ein Ansteckungsrisiko auf der Everest-Spitze, 8849 Meter über Meer. China wird daher eine «Trennlinie» auf dem Gipfel einrichten, wie chinesische Staatsmedien berichten. Dies, obwohl es keinen besseren Schutz gegen das Virus geben dürfte als die rigiden Kletteranzüge, Bergsteigerbrillen und Sauerstoffmasken, die Everest-Bezwinger tragen.
Übereifrige Chinesen
Wie genau die Trennlinie aussehen soll, darüber schweigt China, das die Vorsichtsmassnahme auf Mount Everest am Sonntag ankündigte. Eine solche Linie, heisst es, soll die Vermischung von Bergsteigern aus dem Covid-heimgesuchten Nepal und solchen verhindern, die von der tibetischen Seite aufsteigen. Die nördliche chinesische Seite sei vor Infektionen sicher, wird ein hoher Beamter zitiert: «Der wichtigste Fokus zur Verhinderung von Ansteckungen liegt auf dem Gipfel.»
Laut Chinas staatlicher Nachrichtenagentur Xinhua befindet sich derzeit eine 21-köpfige chinesische Gruppe auf dem Weg zum Everest-Gipfel. Demnach werden tibetische Bergführer vor der Ankunft der Gruppe eine Art Grenze ziehen. Das wird ein schwieriges Unterfangen für China, Virus-Territorialansprüche zu stellen.
Die tibetischen Führer sollen die Trennlinie vor der Ankunft ihrer Gruppe einrichten. Wie diese Schutzlinie aussehen soll, wird nicht näher beschrieben. Der höchste Flecken der Welt ist ein winziges, gefährliches und unwirtliches Gebiet von der Grösse eines Esstisches.
Trennlinie mache keinen Sinn
Unklar bleibt auch, wie diese tibetischen Führer die Trennlinie durchsetzen würden, wenn sich gerade eine Gruppe von nepalesischer Seite auf dem Gipfel befinden sollte - oder auf den letzten Metern dahin. Die extreme Höhenlage gilt als Todeszone, wo sich Menschen keine Minute länger als gerade nötig aufhalten wollen.
Der irische Bergsteiger und Everest-Buchautor Fergus White sagte der Hongkonger Zeitung «South China Morning Post», kaum jemand verbringe mehr als 20 Minuten in den paar Quadratmetern der Todeszone. Es mache keinen Sinn, dort oben Menschenmengen kontrollieren zu wollen. In dieser Höhe, so White, sei jeder Schritt kräftezehrend und alle tragen luftdichte Masken. Ganz zu schweigen von der klirrenden Kälte, die das Virus auslöscht.
Noch surrealer wirkt die Vorstellung, dass es ein Infizierter mit entsprechenden Atembeschwerden bis zum Gipfel schaffen sollte. China, das als Ursprungsland der Covid-Lungenseuche gilt, hat bereits letztes und auch dieses Jahr keine Everest-Aufstiegsbewilligungen an Ausländer erteilt. (kes)