Kleine Kinder – meist Buben – laufen barfuss, spärlich bekleidet und ungewaschen mit einer blechernen Schüssel um den Hals durch die Strassen von Dakar in Senegal. Sie sind auf Betteltour unterwegs. Auch wenn es dort die offizielle Sprache ist, sprechen diese Kinder kein Wort Französisch.
«Talibés» werden diese Kinder genannt. In arabischer Sprache bedeutet dies «Schüler». Kaum können sie laufen und sprechen, werden sie von ihren Eltern vom Land in die Stadt zur Ausbildung an der Koranschule geschickt. Dies in der Hoffnung, dass sie eine gute Ausbildung bekommen. Doch das bleibt meistens eine Wunschvorstellung.
Eigentlich war Christian Hosmann, Geschäftsführer von der Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf Schweiz wegen eines internationalen Meetings für Strategieplanung im Mai vor einem Jahr im senegalesischen Dakar. Als er dort durch die Strassen lief, stachen ihm die Kinder mit ihren Blechbüchsen um den Hals gleich ins Auge. «Es waren Unzählige unterwegs, in Gruppen oder alleine», erzählt Hosmann gegenüber BLICK.
«Jede Tierhaltung in der Schweiz ist besser»
Hosmann nahm sich dem Thema sofort an und brachte es sogar in das Meeting ein. Er wollte mehr über die Talibés wissen und diese Kinder schützen. «Sie werden von ihren Lehrern, den Marabouts, zum Betteln gezwungen.» Sie würden wie Sklaven gehalten. «Jede schlechte Tierhaltung in der Schweiz ist besser», sagt Hosmann. Wenn sie kein Geld einbringen, werden die Kleinen oftmals geschlagen. «Die Kinder leben wirklich in sehr schlimmen Zuständen.»
Es ist aber nicht einfach sie von der Strasse zu holen: «Sie vertrauen fast niemanden und sind völlig eingeschüchtert.» Viele werden bereits im Alter von zwei bis drei Jahren zu ihren Marabouts geschickt und werden quasi abgerichtet von ihnen. Auch sexueller Missbrauch ist gang und gäbe.»
Die Eltern wissen von nichts
Deshalb hat SOS-Kinderdorf mit der EU ein Hilfsprogramm für die Talibés ins Leben gerufen. «Wir setzen insbesondere bei den nichtsahnenden Familien auf dem Land an.» SOS-Kinderdorf informiert die Eltern darüber, was in der Stadt wirklich mit ihren Kindern passiert. «Viele fallen dabei aus allen Wolken», sagt Hosmann. So gross sei das Vertrauen in die islamischen Gelehrten. Bis heute ist der Marabout ein grosse Respektsperson.
«Wir wollen die Talibés wieder mit ihren Eltern zu vereinen. Wenn wir sie nicht finden können, erhalten sie einen Platz in einem unserer Kinderdörfer.» Ziel sei es, so viele Kinder wie möglich von der Strasse zu holen und zu verhindern, dass sie überhaupt zum Betteln auf der Strasse gezwungen werden.
Mittlerweile hätten auch die Behörden das Problem erkannt. «In Dakar wird bald eine Aufklärungs-Kampagne eingeführt», sagt Hosmann. Auch mit den religiösen Gelehrten sei man im Kontakt. «Die Imane sind daran interessiert, dass die Talibés besser unterrichtet werden und nicht auf der Strasse betteln müssen.»