Alt-Bundesrat Samuel Schmid hat Gastauftritt bei «The Daily Show»
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Die Schweiz und ihre Waffen:Alt-Bundesrat Samuel Schmid hat Gastauftritt bei «The Daily Show»

«Daily Show»-Komiker Michael Kosta über Massenschiessereien und Schweizer Waffenkultur
«Samuel Schmid war wirklich betrunken»

Der amerikanische Starkomiker Michael Kosta (39) wurde hierzulande bekannt durch ein «Daily Show»-Beitrag über die Schweizer Waffenkultur. Im Interview erzählt er, was die Massenschiessereien mit seinem Land machen.
Publiziert: 10.08.2019 um 11:34 Uhr
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Aktualisiert: 10.08.2019 um 12:07 Uhr
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Zufällig trifft Michael Kosta am Feldschiessen auf alt Bundesrat Samuel Schmid. «Er war wirklich betrunken.»
Foto: Screenshot Youtube.
Moritz Kaufmann

Zwei Länder, die Waffen lieben. Mit einem entscheidenden Unterschied: In den USA kommt es fast täglich zu einer Massenschiesserei. Zuletzt am Wochen­ende. In der Schweiz fast nie. ­Warum? Davon handelt Michael Kostas (39) zweiteiliger Bericht über die Schweiz für die amerikanische Satire-Sendung «The Daily Show». Aus­gestrahlt wurde er im letzten Dezember und Januar. Auf Youtube wurde er über zwei Millionen Mal angeschaut. Kosta trinkt mit alt Bundesrat Samuel Schmid (72) ein Bier am Eidgenössischen Feldschiessen, versucht sich mit Jung­schützen und kommt zum Schluss: Die Schweiz hat einfach die bessere Waffen­kultur. Wir erreichen ihn am Telefon in New York.

Mr. Kosta, ­sowohl ­Amerika wie die Schweiz haben eine Liebesbeziehung mit Schusswaffen. Wer liebt sie mehr?
Michael Kosta: Oh Mann. Ich glaube, wir Amerikaner lieben Schusswaffen mehr als alles andere. Aber das meine ich nicht als Kompliment. Ihr liebt Waffen auch, aber ihr seid auch intelligent und vernünftig und passt eure Gesetze an, wenn etwas passiert.

Der Grund, warum wir dieses ­Interview führen, sind zwei ­Massenschiessereien in den USA letztes Wochenende. Darf man noch Witze machen?
Es ist sehr schwierig. Früher habe ich meine Waffen-Witze nach ­Massenschiessereien nicht gebracht, um niemanden zu verletzen. Aber mittlerweile sind wir immer nach einer Massenschiesserei. Weil sie ja ständig passieren! Deshalb habe ich entschieden: Fuck that! Wir müssen diese ungemüt­lichen Sachen ansprechen! Das bringt mir nicht viele Lacher ein. Aber die Leute hier sind wütend, und sie haben Angst.

Woran zeigt sich das?
Hier in New York hat am Mittwoch am Times Square ein Motorrad­fahrer laute Knattergeräusche gemacht. Es klang wie Gewehrschüsse. Die Leute sind um ihr Leben ­gerannt. Wir sind echt nervös.

Vom gescheiterten Tennis-Profi zum Starkomiker

Michael Kosta (39) ist ein amerikanischer Stand-up-Komiker aus New York. Seit 2017 arbeitet er als «Korrespondent» für «The Daily Show», die seit 1996 jeweils von Montag bis Donnerstag auf dem Kanal «Comedy Central» läuft. Das Format orientiert sich an normalen Nachrichtensendungen, nimmt das Weltgeschehen aber satirisch auf die Schippe. Moderator der «Daily Show» ist der Südafrikaner Trevor Noah (35), der einen Schweizer Vater hat. Kostas Rolle in der Sendung ist die eines supermaskulinen, prahlerischen, konservativen -Reporters und Kommentators. Nebenbei hat er auch Solo-Auftritte als Comedian. Kosta wuchs im Bundesstaat Michigan auf. Nach dem Bachelor-Studium in Auftritts-Kommunikation versuchte er sich als Tennisprofi. Seine beste Klassierung im ATP-Ranking war 864. Gegen Roger Federer (38) hat er nie gespielt. Nach zwei Jahren gab er den Profi-Traum auf und wurde Tennis-Trainer. Nebenbei machte er erste -Versuche als Komiker. Kosta ist verheiratet und hat keine Kinder.

Michael Kosta (39) ist ein amerikanischer Stand-up-Komiker aus New York. Seit 2017 arbeitet er als «Korrespondent» für «The Daily Show», die seit 1996 jeweils von Montag bis Donnerstag auf dem Kanal «Comedy Central» läuft. Das Format orientiert sich an normalen Nachrichtensendungen, nimmt das Weltgeschehen aber satirisch auf die Schippe. Moderator der «Daily Show» ist der Südafrikaner Trevor Noah (35), der einen Schweizer Vater hat. Kostas Rolle in der Sendung ist die eines supermaskulinen, prahlerischen, konservativen -Reporters und Kommentators. Nebenbei hat er auch Solo-Auftritte als Comedian. Kosta wuchs im Bundesstaat Michigan auf. Nach dem Bachelor-Studium in Auftritts-Kommunikation versuchte er sich als Tennisprofi. Seine beste Klassierung im ATP-Ranking war 864. Gegen Roger Federer (38) hat er nie gespielt. Nach zwei Jahren gab er den Profi-Traum auf und wurde Tennis-Trainer. Nebenbei machte er erste -Versuche als Komiker. Kosta ist verheiratet und hat keine Kinder.

In Ihrem Stück über die Schweiz sagen Sie, dass Sie ­Schusswaffen lieben. Stimmt das?
Viele Leute meinen wegen dieses Stücks, ich sei ein Waffen-Hasser. Aber ich komme aus dem Bundesstaat ­Michigan und bin mit einem Gewehr im Haus aufgewachsen. Ich weiss, wie man schiesst. Heute lebe ich in New York City, hier ist es schwierig, eine Schusswaffe zu ­besitzen. Es gibt tonnenweise ­Regeln. Aber ich glaube an die amerikanische Verfassung, die uns das Recht gibt, Waffen zu besitzen. Würde ich eine haben, wenn ich nicht in New York wohnen würde? Aber sicher!

Warum glauben Sie an den ­zweiten Zusatz der US-­Verfassung, der das Verbieten von Waffen verbietet?
Wir haben die Briten in den 1770er-Jahren geschlagen, weil alle Bürger eine Waffe hatten. Ich weiss: Für euch Europäer ist das nicht lange her. Aber für uns Amerikaner ist es ein wichtiger Teil unserer Früh­geschichte. Aber es waren andere Waffen damals. Musketen, die nur einen Schuss feuerten. ­Danach musste man nachladen. Deshalb brauchts Gesetzesänderungen.

New York hat es offenbar geschafft, die Gesetze anzupassen. Warum nicht das ganze Land?
Ich weiss nicht, warum das auf nationaler Ebene nicht möglich ist. Wir haben die National Rifle Association (NRA). Die heisst bei euch Wilhelm-Tell-Association, oder?

Genau. Pro Tell.
Genau die! Aber bei uns sind sie sehr einflussreich. Wenn wir es nicht schaffen, gesetzliche Änderungen durchzubringen, dann werden wir weiterhin die Waffen auf uns richten und uns umbringen.

Waffen haben viele faszinierende Aspekte. Die Mechanik. Die ­Konzentration beim Zielen. Viele Leute auf der Welt denken so, gerade wir Schweizer. Warum bringen ausgerechnet Amerikaner sich damit gegenseitig um?
Für das Stück über die Schweiz habe ich einen halben Tag mit Jungschützen verbracht. Ich sagte in die Kamera: «In der Schweiz gehen Schüler nach der Schule zum Schiessen. In Amerika gehen Schüler in die Schule, um zu schiessen.» Wir mussten diese Sequenz wieder entfernen, weil sie zu traurig und wahr war. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ich weiss es nicht.

Warum sind es immer junge Männer, die andere mit ­Schusswaffen töten?
Es sind tatsächlich immer junge  weisse Männer. Sie fragen gute Fragen. Ich weiss es nicht. Ich wünschte, ich wüsste es.

Ich habe ein Gewehr zu Hause vom Militär. Ich musste es ­Hunderte Male auseinander- und wieder zusammenbauen. Ich musste damit im Schlafsack schlafen. Ich habe es gehasst. Aber es hat mich Respekt gelehrt.
Ich war mal Profi-Tennis-Spieler und habe mit meinem Schläger im Bett geschlafen. Aber zu Ihrer Frage: Ich würde es sehr begrüssen, wenn das Militär bei uns die Öffentlichkeit im Umgang mit Waffen beraten würde. Lustigerweise gibt es auf unseren Militärbasen strengere Regeln im Umgang mit Waffen als auf unseren Trottoirs und in unseren Kinos. Was es für mich so schwierig macht: Ich habe keine Antworten, aber viel Frust. Sogar gute Freunde von mir aus dem Mittleren Westen befürworten mittlerweile strengere Waffengesetze. Und die haben viele Schiesseisen!

War es Ihre Idee, in die Schweiz zu kommen?
Es war die Idee von einer unserer Produzentinnen. Ich bin sofort darauf angesprungen und fühle mich sehr privilegiert, dass ich es machen durfte. Ich habe viel gelernt, und ich glaube, das Stück hat funktioniert.

Es geht darin viel um Waffen­kultur – nicht unbedingt um ­Gesetze oder Regeln. Können Sie erklären, was Sie damit meinen?
Waffen haben diese starke Tradi­tion bei uns. Aber Waffen haben sich entwickelt. Unsere Gesetze haben nicht Schritt gehalten damit. Wir müssen anfangen, Leute zu wählen, die diese Gesetze ändern wollen. In der Schweiz gab es ja diesen schrecklichen Amoklauf 2001, oder?

Ja, im Zuger Parlament …
Und danach wurden die Munitions-Regeln angepasst, oder nicht?

Unter anderem deswegen, ja.
Eben. Das Problem bei uns ist: Ist jemand wütend, kann er einfach eine Waffe nehmen und durchladen. Auch verwirrte, einsame ­junge Männer. Wir machen es ihnen zu einfach. Der Dayton-Schütze letztes Wochenende hat in nicht mal 30 Sekunden neun Leute umgebracht. Die Polizei hat einen grossartigen Job gemacht. Aber wenn einer in so kurzer Zeit so viel Schaden anrichten kann, dann müssen wir diese Kriegswaffen aus dem Verkehr ziehen.

Kultur kann man aber nicht über Nacht verändern.
Nein. Ich wünschte, man könnte die Schweiz zu uns rüberfliegen, um uns zu erziehen.

Wie haben die Menschen auf Ihr Schweiz-Stück reagiert? Hatte es einen Einfluss auf die öffentliche Debatte?
Ich glaube, es hat in der Schweiz höhere Wellen geworfen als hier. Die Leute hier sehen in mir keinen Waffen-Experten, was ich auch nicht bin.

Für uns Schweizer war ja der ­lustigste Moment, als Sie mit ­einem offensichtlich betrunkenen alt Bundesrat Samuel Schmid beim Eidgenössischen ­Feldschiessen redeten.
Ja, er war wirklich betrunken. Und ich zwei Stunden später auch (lacht). Wir hatten wirklich Glück. Wir sind dahin gegangen mit ein paar Ideen. Dann hat unser lokaler Produzent Samuel Schmid erkannt, und wir haben umgeplant. Ich möchte mich nochmals herzlich bei ihm bedanken, dass er mit uns ­geredet hat. Er gab unserem Stück wirklich mehr Gewicht.

Hand aufs Herz: Im Beitrag sieht man viele Betrunkene mit Gewehren am Feldschiessen. Fühlten Sie sich da wirklich sicher?
Anfangs nicht. Ich mag den Anblick dieser Sturmgewehre nicht, hatte nie mit so einem geschossen. Ich meine, da war ein Mann mit einem Gewehr auf dem Rücken, der einen Baby-Wagen gestossen hat! Ich konnte es nicht glauben! Aber dann sieht man, wie die Leute Spass ­haben, und entspannt sich.

Sie lobten die Schweiz für unsere Waffenkultur. Aber am Feldschiessen sieht man Kinder, die Munition verteilen. Müssen wir Schweizer nicht auch gewisse Sachen überdenken?
Sie fragen einen Amerikaner nach Rat im Umgang mit Waffen? Ja, ich fands schräg. Aber ihr scheint es ­irgendwie im Griff zu haben. Beim Bierzelt hat ja jemand kontrolliert, ob die Waffen geladen waren. Andererseits waren die Kontrollen auch nicht so streng. Sagen wir es so: Es war grossartiges Fernsehen. Und vielleicht müsstet ihr ein kleines bisschen strenger sein. Auch wenn ich weiss, dass ihr eine Tradition der schnellen Bewaffnung habt.

Es kommt ja aus dem Kalten Krieg. Die Idee war: Wenn die Russen angreifen, können wir uns mit unserem Gewehr zu ­unserer Einheit kämpfen.
Ja, nun, das ist wirklich veraltet. Heute sieht Krieg so aus: Eine Drohne lässt eine Rakete fallen. That’s it.

Sie klingen in Ihrem Beitrag recht zuversichtlich, dass Amerikaner dazulernen werden. Sind Sie das immer noch?
Ich hatte zu Hause gerade eine ernsthafte Diskussion, ob wir nach Kanada auswandern sollten. So schlimm ist es. Aber ja, ich bin zuversichtlich. Es sind herzzerreissende Dinge passiert. Ich habe Auftritte im ganzen Land und merke: Der durchschnittliche Amerikaner will strengere Gesetze. Jetzt muss es nur noch die Politik kapieren.

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