«Es hat psychisch Spuren hinterlassen»
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54 Tage im Albtraum-Gefängnis:«Es hat psychisch Spuren hinterlassen»

D. F. (50) reist für seine grosse Liebe nach Brasilien – und landet im Knast. Es wird die schlimmste Zeit seines Lebens
Aargauer ging in Brasilien-Knast durch die Hölle

Ein Aargauer glaubte, in Brasilien seine grosse Liebe gefunden zu haben. Doch die Beziehung zerbrach. Nach einem Streit erlebte er im Knast von Fortaleza die schlimmste Zeit seines Lebens.
Publiziert: 15.05.2019 um 12:24 Uhr
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Aktualisiert: 27.10.2020 um 19:18 Uhr
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Der Aargauer D. F. hat in brasilianischen Gefängnissen die schlimmste Zeit erlebt.
Foto: Philippe Rossier
Guido Felder

D. F.* (50) ist grosser Brasilien-Fan. Doch ausgerechnet in dem Land, in dem er nächstes Jahr heiraten und sich niederlassen wollte, erlebte der Chauffeur aus dem Aargau den Albtraum seines Lebens. Wegen eines Streits mit seiner Freundin steckte ihn die Polizei im Küstenort Fortaleza Anfang März 2019 für 54 lange Tage ins Gefängnis. Dort erlebt er den puren Horror: Willkür, sexuelle Bedrohungen, Gewalt. D. F. ist heute überzeugt: «Ich wurde wegen eines Gesetzes des neuen Präsidenten Jair Bolsonaro so hart angefasst.»

D. F. war im Februar zu seiner brasilianischen Freundin gereist, mit der er seit dreieinhalb Jahren eine Fernbeziehung mit regelmässigen Besuchen unterhielt. Sein Plan: In einem Jahr heiraten. D. F. sagt zu BLICK: «Ich hatte uns schon die Ringe gekauft.» Ein gemeinsamer Monat in Fortaleza sollte zum letzten Test für eine gemeinsame Zukunft werden.

Heftige Anklage

Aber: Der Probemonat endete jedoch in wüstem Streit, nachdem seine Freundin am Tag vor seiner Rückreise per Whatsapp Schluss gemacht hatte. «Als sie meinen Koffer ausleerte und die Ringe, die teure Uhr sowie auch mein Fernsehgerät mitnehmen wollte, wehrte ich mich», so der Aargauer. Die beiden hätten sich angeschrien – und ja: «Ich habe sie an den Haaren gezogen und den Fernseher kaputt gemacht.» Seine Freundin habe sich dann ins Auto gesetzt und versucht, ihn anzufahren. «Zum Glück konnte ich auf die Seite springen, sie beschädigte lediglich einen Koffer.»

Dann ging alles ganz schnell: Seine Freundin alarmierte die Militärpolizei, die den Schweizer verhaftete. Im Protokoll, das BLICK vorliegt, belastet sie ihren Fast-Bräutigam schwer. Er habe sie ins Gesicht geschlagen und ihr gedroht, Nacktbilder zu veröffentlichen und sie zu töten. D. F. beteuert gegenüber BLICK: «Das stimmt alles nicht, ich habe ja gar keine Nacktbilder von ihr.» Eine ärztliche Untersuchung ergab laut dem Protokoll, dass die Freundin keine äusseren Verletzungen erlitten hatte.

Zweimal per Notfall ins Spital

Was dann folgte, war für den Aargauer der Albtraum seines Lebens. Er schmorte insgesamt 54 Tage in drei verschiedenen, überfüllten und verschmutzten Gefängnissen, zuletzt und am längsten in der Strafanstalt Irma Imelda Lima Pontes. «Unter anderem befand ich mich mehrere Tage mit rund 50 Häftlingen in einem dunklen, engen Raum, dessen Betonboden nass war und der nur zwei Toiletten hatte.»

D. F., den sie nur den «Gringo» nannten, schlief auf dem harten Boden, zwischen Katzen und Ratten. Wurde nachts ein neuer Häftling gebracht, mussten alle aufstehen, um Platz zu machen. Zweimal musste der Diabetiker notfallmässig ins Spital eingeliefert werden, weil seine Zuckerwerte kritisch waren.

Entlassung mehrmals verschoben

Ein Problem seien auch die vielen Transsexuellen gewesen, die sich an D. F. heranmachten. «Die waren regelrecht spitz auf mich, sodass ich nachts aufpassen und mich verteidigen musste.» Ein anderer Insasse habe ihm geholfen, dafür überliess ihm D. F. seine teuren Sandalen. Andern Häftlingen schenkte er WC-Rollen. D. F. dazu: «Mit dem Klopapier und den Gräsern vom Gefängnishof drehten sie Zigaretten.»

Vier Mal wurde D. F. den Richtern vorgeführt – immer wieder versprachen sie ihm, ihn nun frei zu lassen. Das erste Mal wäre es am 15. März der Fall gewesen. Auch als der definitive Austritt endlich feststand, gab es wieder eine Verzögerung von vier Tagen: Das Auto des Staatsanwalts, der ins Gefängnis kommen und ihn entlassen sollte, war defekt.

In Häftlingskleidern entlassen

Den 25. April 2019, 13.30 Uhr, hat D. F. dick in seiner Agenda angestrichen. Es ist der Termin, an dem er endlich aus dem Knast entlassen wurde. Seine Kleider? Die hatten die Wärter angeblich weggeschmissen. D. F. verliess die Strafanstalt Irma Imelda Lima Pontes in seinen Häftlingskleidern, einer blauen Hose und einem weissen Leibchen.

Das Gericht verurteilte D. F. dazu, seiner Freundin als Entschädigung einen Monatslohn in der Höhe von umgerechnet rund 300 Franken zu zahlen. Zudem darf er sie nicht mehr kontaktieren, sich ihr höchstens bis auf 100 Meter nähern. Auch dieses Urteil liegt BLICK vor.

Mit andern das Schicksal geteilt

Der Aargauer versteht die Welt nicht mehr. «Das Gericht hat ja mit dem milden Urteil selber bestätigt, dass ich nichts Schlimmes gemacht habe. Und dafür sass ich 54 lange Tage in den schlimmen Gefängnissen im Ungewissen.» Er ist überzeugt, dass das auf die massive Verschärfung des Gesetzes gegen häusliche Gewalt zurückzuführen ist, die der seit Anfang Jahr amtierende Staatspräsident Jair Bolsonaro (64) angeordnet hat. «Eine Beschuldigung – auch eine falsche – genügt, und ein Mann kann sofort verhaftet werden», weiss D. F. Und: Auch anderen Häftlingen, die er kennengelernt hatte, sei es gleich ergangen.

Das Gesetz Lei Maria da Penha gegen häusliche Gewalt wurde 2006 eingeführt und jetzt verschärft, weil Brasilien eine der höchsten Raten von Femizid und Übergriffen innerhalb der Familie aufweist.

Massiv enttäuscht

D. F. will andere Schweizer vor dem strengen Gesetz und dem harten Durchgreifen der brasilianischen Justiz warnen. Der Brasilien-Fan hadert mit seiner einstigen Traumdestination: «Mich hat das Land, das ich seit 20 Jahren regelmässig besuche, massiv enttäuscht. Ich habe nie so etwas Schlimmes erlebt.»

Aber dennoch: Trotz der Pein, die er durchgemacht hat, kann D. F. den Reizen Brasiliens nicht widerstehen: «Ich werde auch weiterhin nach Südamerika reisen, das Land ist einfach zu schön. Ich habe bereits wieder gebucht.»

* Name der Redaktion bekannt

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