Neben Risikofaktoren wie fortgeschrittenem Alter oder Diabetes, kann auch das genetische Erbe das individuelle Risiko für eine schwere Corona-Erkrankung erhöhen oder verringern. 2020 zeigten Hugo Zeberg und Svante Pääbo vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, dass der wichtigste genetische Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Verlauf Teil des menschlichen Neandertalererbes ist.
Im vergangenen Jahr untersuchte das Forscherduo dieselbe Genvariante im Erbgut prähistorischer Menschen und stellte fest, dass sie seit Ende der letzten Eiszeit deutlich häufiger vorkommt. Es liegt deshalb nahe, dass sie in der Vergangenheit grösstenteils vorteilhaft für ihre Träger gewesen ist.
Die Neandertaler-Variante befindet sich in einer Region auf Chromosom drei, wo sich ausserdem mehrere Gene befinden, die mit Rezeptoren im Immunsystem in Verbindung stehen. Einen dieser Rezeptoren - CCR5 - nutzt das HIV-Virus, um weisse Blutkörperchen zu infizieren.
Zeberg fand gemäss Mitteilung vom Dienstag heraus, dass Menschen mit einer ererbten Covid-19-Risikovariante weniger CCR5-Rezeptoren haben. Bei der Analyse von Patientendaten aus drei grossen Biobanken zeigte sich, dass Träger der Covid-19-Risikovariante ein um 27 Prozent geringeres Risiko für eine HIV-Infektion aufweisen.
«Diese Gen-Variante zu besitzen, kann für den Träger sowohl gut als auch schlecht sein: schlecht, wenn er sich mit COVID-19 infiziert, gut, wenn die Gefahr einer HIV-Infektion besteht und ein gewisser Schutz gegen dieses Virus vorhanden ist», erklärte der Max-Planck-Experte.
Da HIV jedoch erst im 20. Jahrhundert aufkam, kann die Schutzwirkung vor dieser Infektionskrankheit nicht erklären, warum die Covid-19-Risikovariante bereits vor 10'000 Jahren beim Menschen so stark verbreitet war. Möglicherweise war es der Schutz vor einer anderen Krankheit, der nach der letzten Eiszeit zur starken Verbreitung dieser speziellen Genvariante beigetragen hat, so die Vermutung der Forscher.
(SDA)