Corona-Gipfel in Deutschland
Merkel: «Ergebnisse sind nicht hart genug»

An einem Gipfel in Berlin hat Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder über Corona-Massnahmen beraten. Einige Verschärfungen wurden beschlossen, doch die deutsche Kanzlerin gibt sich unzufrieden.
Publiziert: 14.10.2020 um 19:57 Uhr
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Aktualisiert: 15.10.2020 um 07:18 Uhr
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Der Bayrische Ministerpräsident Markus Söder bei der Ankunft zum Corona-Gipfel in Berlin.
Foto: keystone-sda.ch

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben Bund und Länder schärfere Corona-Regeln vereinbart. Dazu gehören weniger Gäste bei Feiern sowie eine Sperrstunde in Hotspots, wie die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch von Teilnehmern der Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder im Kanzleramt erfuhr.

Merkel forderte die Länder zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf. «Wollen wir einen beherzten Schritt machen, oder uns wieder Woche für Woche treffen wie im Frühjahr», sagte die CDU-Politikerin nach Angaben von Teilnehmern. Doch nach stundenlangen Verhandlungen genügen Merkel die Beschlüsse nicht: «Ich bin nicht zufrieden: die Ergebnisse sind nicht hart genug, dass wir Unheil abwehren», wird sie von der Presse-Agentur zitiert.

Nach der Sitzung betonte Merkel, ob die Beschlüsse reichen oder nicht, werde man sehen. «Deshalb ist meine Unruhe mit dem heutigen Tag noch nicht weg.» Beunruhigt sei sie vom exponentiellen Anstieg der Infektionen. «Den müssen wir stoppen. Sonst wird es in kein gutes Ende führen.» Merkel machte deutlich, dass sich ihre Unzufriedenheit vor allem auf die umstrittenen Beherbergungsverbote bezieht.

Kanzlerin will erneuten Lockdown verhindern

Die Kanzlerin hatte mehrfach betont, ein erneuter Lockdown solle unbedingt verhindert werden – also ein Herunterfahren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens wie im Frühjahr. Vorrang müsse es haben, die Wirtschaft am Laufen zu halten und den Betrieb in Schulen und Kitas aufrechtzuerhalten.

Konkret vereinbarten die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten dieses:

Maskenpflicht

In Städten und Regionen mit stark steigenden Corona-Zahlen soll die Maskenpflicht erweitert werden. Sie soll ab 35 Neuinfektionen je 100'000 Einwohner in sieben Tagen auch überall da gelten, wo Menschen dichter beziehungsweise länger zusammenkommen.

Private Feiern

In Regionen mit einem Wert über 35 Neuinfektionen soll es eine Begrenzung von 25 Teilnehmern im öffentlichen und 15 Teilnehmern im privaten Raum geben. Ab 50 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner in sieben Tagen sollen private Feiern auf maximal zehn Teilnehmer im öffentlichen Raum sowie auf höchstens zehn Teilnehmer aus höchstens zwei Hausständen im privaten Raum begrenzt werden.

Kontaktbeschränkungen

Übersteigen die Neuinfektionen den 50er-Wert dürfen sich künftig nur noch maximal zehn Personen im öffentlichen Raum treffen. Sollten die neuen Massnahmen den Anstieg nicht zum Stillstand bringen, wird dies auf bis zu fünf Personen oder die Angehörigen zweier Hausstände verringert.

Sperrstunde

Ebenfalls bei 50 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner in sieben Tagen soll eine Sperrstunde um 23 Uhr für die Gastronomie verhängt werden. Bars und Clubs sollen geschlossen werden.

Veranstaltungen

Wird der 50er-Wert überschritten, wird die Zahl der Teilnehmer bei Veranstaltungen auf 100 Personen begrenzt. Ausnahmen bedürfen eines mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgestimmten Hygienekonzeptes.

Beherbergungsverbote

Die Beherbergungsverbote für Urlauber aus innerdeutschen Risikogebieten waren vor den Beratungen am umstrittensten. Bund und Länder fanden auch im Kanzleramt keine Einigung und vertagten das Thema erst einmal bis zum 8. November. Bis dahin soll diese Massnahme auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

Erster Krisengipfel seit Juni


Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten waren erstmals seit Juni wieder persönlich zusammengekommen und berieten nicht nur per Videokonferenz. Das Treffen stand unter dem Eindruck massiv steigender Infektionszahlen in Deutschland und zum Teil noch dramatischerer Entwicklungen bei vielen europäischen Nachbarn. Hierzulande wurden nach Angaben des Robert-Koch-Instituts vom Mittwoch aktuell 5132 Neuinfektionen gemeldet – so viele wie seit Mitte April nicht mehr.

Der Leiter der Abteilung System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, Michael Meyer-Hermann, warnte bei dem Treffen eindringlich vor einem Kontrollverlust bei den Infektionen. «Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern zwölf, um das Schiff noch zu drehen», sagte er laut Teilnehmern im Kanzleramt. Deutschland stehe an der Schwelle zu einem exponentiellen Wachstum.

Merkel rief nach dem Treffen die Menschen in Deutschland zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf: «In dieser entscheidenden kritischen Phase des Herbstes ist es ganz, ganz wichtig, dass alle auch weiter mitmachen.» Die Kanzlerin betonte: «Auch ökonomisch können wir uns eine zweite Welle, wie wir sie im Frühjahr hatten mit solchen Folgen, nicht leisten.»

Situation gefährlicher als im Frühjahr?


Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) betonte, Deutschland befinde sich jetzt in einer sehr entscheidenden Phase: «Es steht jetzt viel auf dem Spiel.» Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sah zwar Fortschritte durch die Beschlüsse. «Aber ob das reicht, ist meiner Meinung nach offen. Wir sind dem zweiten Lockdown eigentlich viel näher, als wir das wahrhaben wollen.» Die zweite Corona-Welle sei bereits da. Die Situation jetzt sei fast gefährlicher als im Frühjahr, weil nun der Winter bevorstehe, warnte Söder, der zugleich dazu aufrief, durch die Beschränkungen wieder «vor die Welle» zu kommen.


Unterdessen plant Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) weitere Hilfen für besonders hart von Corona-Massnahmen getroffene Unternehmen. Die bisher bis zum Jahresende laufenden Überbrückungshilfen sollen um ein halbes Jahr bis zum 30. Juni 2021 verlängert werden. Die Wirtschaftsleistung in Deutschland war im zweiten Quartal eingebrochen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gab am Mittwoch in Berlin bekannt, dass die neue Corona-Testverordnung an diesem Donnerstag in Kraft treten werde. Corona-Tests sollen damit künftig stärker auf Risikogruppen und das Gesundheitswesen konzentriert werden – weniger auf Reiserückkehrer. (szm/nim/SDA)

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