Der goldene Schlüssel in der Corona-Krise ist digital. Fast alle Länder arbeiten an App-Lösungen zur Bewältigung der Krise oder haben sie bereits eingeführt. Das könne «tatsächlich viel mehr oder fast das Gleiche bringen wie so ein richtiger Lockdown», sagte der deutsche Chef-Virologe Christian Drosten bereits Anfang April. Wer machts wie? Eine Übersicht.
Digitaler Handschlag in Österreich
Als Kanzler Sebastian Kurz (33) die Corona-Massnahmen nach Ostern langsam lockerte, hatten bereits Hunderttausende die App «Stopp Corona» installiert. Sie stammt vom Österreichischen Roten Kreuz, das auf seiner Website umfassend informiert. Persönliche Begegnungen werden mittels «digitalem Handschlag» anonymisiert gespeichert – wie bei einem echten Handschlag müssen beide App-Nutzer den (anonymen) Kontakt jedoch bestätigen. Treten bei einer Person, mit der man in den letzten 54 Stunden Kontakt hatte, dann Symptome einer Corona-Erkrankung auf, wird man automatisch benachrichtigt und gebeten, sich selbst zu isolieren.
Datenschützer-Applaus in Deutschland
Sogar Datenschützer applaudieren mittlerweile für die deutsche App-Lösung. Sie verfolgt einen dezentralen Ansatz. Wie in der Schweiz soll die Liste der Kontakte eines Nutzers nur auf seinem Handy liegen – nicht auf einem zentralen Datenspeicher, auf den Behörden, Epidemiologen oder andere Zugriff haben könnten. Doch die Entwicklung dauert noch. Mit der Programmierung wurden Europas grösster Softwarekonzern SAP und die Deutsche Telekom beauftragt.
Drei-Stufen-System in China
Grün, Gelb oder Rot: Der «Corona-Status» entscheidet darüber, wie frei man sich im Land oder einer bestimmten Stadt bewegen darf. Den Status ermittelt ein Mini-Programm innerhalb verbreiteter Apps wie Alipay und WeChat. Sie erfassen auch Bewegungen, Finanzdaten, die Körpertemperatur und scannen Gesichter. Problematisch: Die Daten landen bei «privaten» Firmen, auf die der Staat beziehungsweise die Kommunistische Partei vermutlich Zugriff haben. Menschenrechtler befürchten, dass die Behörden sie missbrauchen könnten – beispielsweise gegen ganze Bevölkerungsgruppen wie die Uiguren.
Tech-Giganten in den USA versagen
Ausgerechnet die USA hinken bei der Corona-App kräftig hinterher. Bislang gibt es nur in einzelnen Bundesstaaten Lösungen. Apple und Google haben zwar vollmundig eine Kooperation angekündigt, auf dem Tisch ist aber noch nichts. Die Sorge ist gross, dass die Tech-Giganten unter dem Deckmäntelchen der Seuchenbekämpfung darauf abzielen könnten, Daten für die Such- und Werbeoptimierung zu sammeln. Die Regierung hätte zudem möglicherweise mit dem Hinweis auf Verbrechen oder Terrorismus Zugriff darauf.
Sicherheit vor Datenschutz in Südkorea
Südkorea hat seine App schon am 11. Februar veröffentlicht und die Krise gut im Griff. Die App alarmiert Benutzer, wenn sich diese weniger als 100 Meter einem Ort nähert, an dem ein Infizierter war. Allerdings: Die Behörden nutzen dafür private Mobilfunk- und Kreditkartendaten. Wer in Quarantäne muss, wird ebenfalls via Handy überwacht. Was im Westen für Entsetzen sorgen würde, stösst in Südkorea auf Begeisterung. Umfragen zeigen, dass die Südkoreaner mit der Methode ihrer Regierung einverstanden sind.
Amerikanisch-chinesischer Ansatz in Singapur
Das Musterland hatte die Krise lange sehr gut im Griff – doch dann entglitt dem Stadtstaat die Kontrolle: In den oft lagerartigen Unterkünften der Arbeitsmigranten breitete sich das Virus rasend schnell aus. Die Ende März veröffentlichte App «TraceTogether» nutzt offenbar bereits ein Viertel der Einwohner. Kontaktdaten werden für 21 Tage gespeichert und dann gelöscht. Das Gesundheitsministerium kann mit Erlaubnis einer infizierten Person auf die Daten zugreifen, um Kontakte der vergangenen 14 Tage zu ermitteln. Datenschützer sehen darin eine Mischung aus amerikanischer und chinesischer Datenkultur: Die App stellt das öffentliche Gut über Rechte und Privatsphäre des Einzelnen, aber mit Zustimmung der Bevölkerung.
Corona-Vorbild Taiwan wird ignoriert
Nur sechs Corona-Tote hat Taiwan bislang. Die junge Demokratie hat auch bei der App offenbar alles richtig gemacht: Sie setzt auf «partizipatorische Selbstüberwachung». Wie Südkorea erzwingt auch Taiwan Quarantänen mit Hilfe von Handy-Ortung und wertet zur Seuchenbekämpfung verschiedene Regierungsdatenbanken, wie Reise- und Gesundheitsdaten, aus. Die Regierung hat bei allen Entwicklungen jedoch die Bürger mit einbezogen. «Hacktivisten» haben für verschiedene Tools mit der Regierung zusammengearbeitet, um Daten sowohl «von unten» als auch «nach oben» fliessen zu lassen. Der Prozess gilt als transparent, vertrauensbildend und vorbildlich. Weil Taiwan wegen des anhaltenden Konflikts mit China jedoch nicht Mitglied der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist, wird es international wenig beachtet.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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