Dort wurde er am Dienstag von Präsidentin Michelle Bachelet empfangen. «Es ist richtig, um Entschuldigung zu bitten und den Opfern mit aller Kraft zu helfen», sagte Franziskus. Er empfinde «Schmerz» und «Scham», wenn er an den «irreparablen Schaden» denke, der «diesen Kindern» durch Kirchenfunktionäre zugefügt worden sei.
Wie in zahlreichen anderen Ländern sieht sich die katholische Kirche auch in Chile mit Skandalen um sexuellen Missbrauch konfrontiert. Nach Angaben der US-Organisation Bishop Accountability wurden seit dem Jahr 2000 Vorwürfe gegen rund 80 chilenische Geistliche erhoben.
Opfervertreter kritisierten die Erklärung des Papstes als unzureichend. Nur um Verzeihung zu bitten genüge nicht, sagte Juan Carlos Claret von der Laienvereinigung in Osorno. «Der Papst muss mit konkreten Taten gegen den Missbrauch in der chilenischen Kirche vorgehen.»
Besonders hohe Wellen schlug in Chile der Fall des früheren Priesterausbilders Fernando Karadima, der 2011 von der Vatikan-Justiz wegen sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochen wurde. Die Entscheidung des Papstes, Juan Barros 2015 zum Bischof von Osorno zu ernennen, sorgte für grosse Empörung. Barros wird vorgeworfen, Karadima gedeckt zu haben.
In seiner Rede im Präsidentenpalast rief Franziskus auch zur Achtung der Rechte und der Kultur indigener Völker auf. Die «Weisheit» der Ureinwohner und ihr Respekt für die Umwelt seien eine wichtige Lektion im Kampf gegen den Klimawandel, sagte der Papst. Es gebe keine echte Entwicklung für eine Gesellschaft, die auf «die Erde und alles um sich herum» nicht Acht gebe.
Franziskus besuchte in der Hauptstadt auch das Frauengefängnis San Joaquín. Er warb dort dafür, den Häftlingen eine zweite Chance zu geben. «Wir alle wissen, dass die Haft sich oftmals leider auf eine Bestrafung beschränkt, ohne angemessene Mittel anzubieten, um Prozesse in Gang zu setzen», sagte Franziskus.
«Die öffentliche Sicherheit sollte nicht auf Massnahmen grösserer Kontrolle beschränkt werden, sondern sie sollte mit präventiven Vorkehrungen, mit Arbeit, Bildung und mehr Gemeinschaft gestärkt werden», sagte Franziskus. Eine Gefangene hatte dem Pontifex zuvor von ihrem Leben hinter Gittern berichtet und um Vergebung für ihre Taten gebeten.
Der Papst war Montagnacht in Chile zu seinem sechsten Lateinamerika-Besuch eingetroffen, der ihn in den kommenden Tagen auch nach Peru führen wird. Ein Schwerpunkt der einwöchigen Reise liegt auf Begegnungen des katholischen Kirchenoberhauptes mit Vertretern indigener Völker.
Am Mittwoch will der Papst in der südliche Region La Araucanía mit einer Delegation des Volkes der Mapuche zusammenkommen. Die Mapuche wehren sich seit Jahren gegen die Ausbeutung und Zerstörung ihrer angestammten Gebiete, einige radikale Gruppen setzen dabei auch Gewalt ein.
In der Provinzhauptstadt Temuco ist ein Gottesdienst geplant, zu dem hunderttausende Gläubige erwartet werden. Am Dienstag feierte der Papst bereits eine erste Messe in Santiago, an der rund 400'000 Menschen teilnahmen.
In Chile ist das Ansehen der katholischen Kirche schlechter als in den anderen lateinamerikanischen Ländern. Die scheidende Präsidentin Bachelet hatte in den vergangenen Jahren mehrere gesellschaftspolitische Reformen durchgesetzt. Dazu zählt die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und die Legalisierung von Abtreibungen in bestimmten Fällen.
Am Dienstag wurden erneut Brandanschläge auf mehrere Kirchen in Chile verübt. Ein Gotteshaus in der Hauptstadt und zwei Kapellen in der Region La Araucanía wurden angegriffen. In den vergangenen Tagen waren bereits fünf weitere Kirchen in Santiago attackiert worden.