Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (65) rechnet damit, dass sich zwei von drei Menschen der deutschen Bevölkerung mit dem Covid-19-Virus anstecken könnten. «60 bis 70 Prozent der Menschen in Deutschland werden sich mit dem Coronavirus infizieren», sagte die deutsche Regierungschefin (CDU) laut der «Bild» in der Fraktionssitzung am Dienstag. Nach Merkels Worten habe im Saal Stille geherrscht.
Doch Merkel sprach abseits der Mikrofone, hinter verschlossenen Türen. Die Hauptlast, so Merkel bei der Sitzung, liege bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (39), der derzeit jedoch noch nicht viel von Verboten hält. Während das Corona-Epizentrum Europas, Italien, die Totalabschottung beschlossen hat, agiert Spahn noch vergleichsweise entspannt. Der Minister empfiehlt, auf Grossveranstaltungen von mehr als 1000 Menschen zu verzichten. Merkel habe jedoch «darauf hingewiesen», dass noch mehr Veranstaltungen abgesagt werden müssten, um die Verbreitung des Virus einzudämmen.
Spahn habe die Einschätzung von Merkel offenbar bestätigt. Mit 60 bis 70 Prozent Infizierten müsse gerechnet werden - wenn es nicht vorab gelinge, einen Impfstoff zu entwickeln und grossflächig zum Einsatz zu bringen. Derzeit sind in Deutschland 1457 Corona-Infektionen bestätigt. Zwei Menschen starben, 18 haben sich vom Virus erholt.
Fast zwei Millionen mögliche Opfer?
Mit einer Bevölkerung von rund 83 Millionen Menschen würden laut der Einschätzung von Merkel etwa 50 bis 60 Millionen Menschen zu Trägern des Virus. Gemäss Weltgesundheitsorganisation WHO liegt die durchschnittliche Sterblichkeit von Covid-19-Infizierten bei rund 3,4 Prozent. Das entspräche einer gesamten Opferzahl von gegen 1,9 Millionen Menschen.
Die von Merkel vorgebrachten Zahlen hat auch der Berliner Virologe Christian Drosten (48) bereits vor einiger Zeit genannt. Noch sei unbekannt, in welcher Zeit dieses Infektionsgeschehen verlaufe, betonte der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin. «Das kann durchaus zwei Jahre dauern oder sogar noch länger», so Drosten.
«Im Herbst wird es kritisch», sagte Drosten in einem Interview mit der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Dann werde es zahllose unerkannte Fälle geben, weil die Gefahr im Sommer aus dem Blick gerate. Die Ansteckungsgefahr würde dramatisch steigen. «Ich erwarte dann eine schlagartige Zunahme der Corona-Fälle mit schlimmen Folgen und vielen Toten.»
Geschwindigkeit der Ausbreitung entscheidend
Sollte die Lage in Deutschland tatsächlich entlang dieser Einschätzung zu einer Pandemie eskalieren, wäre das Land dafür kaum dafür gerüstet. Besonders für ältere Menschen kann der Verlauf des Lungenfiebers schwer verlaufen und Behandlung auf der Intensivstation erfordern. Dafür stehen laut Spahn im ganzen Land rund 28'000 Betten zur Verfügung.
Kritisch wird die Lage für das Gesundheitssystem, wenn eine grosse Anzahl von Infektionsfällen in kurzer, komprimierter Zeit auftreten würde. Laut Forschern ist frühestens in ein bis eineinhalb Jahren mit dem Einsatz von Impfstoffen zu rechnen. (kes)
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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