Zwei der brutalsten Terroranschläge Europas wurden dieses Jahr von Tunesiern begangen – ihre Herkunft trug dazu bei, dass sie zu radikalen Islamisten mutierten.
Ausser Kontrolle geriet die Lage in Tunesien nach dem zeitweisen Zusammenbruch der staatlichen Ordnung während der Revolution 2011, schreibt der «Tages-Anzeiger»: Der arabische Frühling brachte zahlreiche Extremisten zutage – und nach Europa.
Der Tourismus ist am Ende
Rund 40 Prozent der 100.000 Einwohner der tunesischen Grossstadt Tataouine sind arbeitslos, alle Hoffnungen auf ein besseres Leben sind nach dem Arabischen Frühling 2011 zerstoben. Der Wüstentourismus, einst wichtige Einkommensquelle, ist kaputt. Stattdessen hat die Nähe zu Libyen die Stadt zu einer Hochburg der Dschihadisten gemacht.
2015 kamen bei drei grossen IS-Attentaten in Tunis und Sousse mehr als 60 Menschen ums Leben. Seitdem scheint es, hat die Polizei die Lage besser im Griff, auch weil mit europäischer Hilfe 168 der 520 Kilometer langen Grenze zu Libyen mit Betonmauern, Sandwällen und Gräben nun besser gesichert sind.
Der Versuch eines Mini-Kalifats
Trotzdem kommt es regelmässig zu Kämpfen: Im März versuchte in der 120 Kilometer entfernten Grenzstadt Ben Gardane ein Kommando aus hundert Dschihadisten ein Mini-Kalifat auf tunesischem Boden zu errichten. Bei den tagelangen Gefechten starben Dutzende Soldaten und Extremisten, die anderen entkamen nach Libyen.
Kein anderer arabischer Staat hat – gemessen an der Bevölkerungszahl – mehr ausländische «Gotteskrieger» beim IS. Über 3000 Tunesier sind nach Syrien und Irak gezogen, um für den selbsternannten Kalifen Abu Bakr Al-Baghdadi zu kämpfen. Weitere 500 gingen über die Grenze ins Nachbarland Libyen, um dort beim Aufbau des IS-Kalifats in Sirte dabei zu sein. 12'000 radikalisierte junge Männer und Frauen konnte die tunesische Polizei nach eigenen Angaben an der Ausreise hindern.