Dieser Fall beschäftigt ganz England: Laura W.* (†38) litt unter Schizophrenie, war schutzbedürftig. Doch die Frau scheint den Behörden in der Stadt Woking in Grossbritannien komplett egal gewesen zu sein. Fast vier Jahre lag sie tot in einer Sozialwohnung, bis endlich auffiel, dass sie verstorben war.
Ihre verzweifelte Familie fordert jetzt Antworten. «Niemand hat nach ihr gesehen», stellte der Anwalt der Familie am Freitag fest. Eine Untersuchung soll ab kommender Woche aufklären, warum die psychisch kranke Frau von den Sozialarbeitern einfach vergessen wurde.
Dass sie überhaupt gefunden wurde, ist ihrem besorgten Bruder und ihrer Mutter zu verdanken. Sie baten im Mai 2021 die Polizei, W.s Wohnung zu öffnen.
W. hatte Angst vor ihrer Familie
Den Beamten bot sich ein grausiger Anblick. Ihr Körper ähnelte bereits einem Skelett. Analysen ihrer Zähne zeigen, dass sie im November 2017 gestorben sein muss. Die genaue Todesursache bleibt bis heute unklar.
Die Familienmitglieder sind untröstlich, mussten sie sich doch von ihrer geliebten Laura fernhalten, weil sie aufgrund ihrer Erkrankung glaubte, ihre Verwandten wollten ihr etwas antun.
«Wir haben immer gehofft, dass es ihr mit professioneller Hilfe bessergehen würde und dass wir eines Tages wieder Kontakt haben würden», sagte ihre Schwester Nicky der «Daily Mail». «Wir haben nie geglaubt, dass wir sie eines Tages tot auf dem Fussboden finden würden, nachdem sie so lange dort gelegen hatte, ohne dass jemand etwas davon wusste.»
Kontakt zur Familie brach ab
W. wurde mit dem Goldenhar-Syndrom geboren, das eine Verkrümmung der Wirbelsäule verursacht. Im Alter von 18 Jahren wurde sie am Herzen operiert und litt seit ihren Teenagerjahren unter psychischen Problemen, sodass sie zweimal in die Psychiatrie eingewiesen werden musste.
Eine gute Beziehung zu ihrer Familie aufrechtzuerhalten, fiel ihr zunehmend schwer. «Der Kontakt mit uns schien sie enorm zu belasten. Sie weigerte sich, uns zu sehen, und am Ende mussten wir leider ihren Wunsch respektieren und sie den Fachleuten überlassen», erklärte Nicky W.*.
Im Jahr 2014 war sie zur psychiatrischen Behandlung überwiesen worden, nachdem das Personal ihrer Hausverwaltung festgestellt hatte, dass sie sich «unwohl fühlte, ziemlich dünn war und sagte, sie habe keine Freunde und glaube, dass sie beobachtet werde».
Zwei Jahre später wurde ihre Unterhaltsbeihilfe für Behinderte gestoppt, nachdem sie auf Briefe des Ministeriums für Arbeit und Renten nicht reagiert hatte. Dass es ihr nicht gut ging, war also bekannt. Im Oktober 2017 meldeten Beamte der Polizei von Surrey dem Sozialdienst, dass sie verwahrloste und wenig zu essen hatte.
Versagten die Behörden?
Die Sozialarbeiter versuchten W. danach telefonisch zu erreichen – ohne Erfolg. Sie schickten der 38-Jährigen ein paar Briefe. Die Mühe bei der Wohnung von W. vorbeizuschauen, machte sich niemand. Als nach zwei Wochen keine Antwort kam, wurde ihr Fall im System geschlossen, ohne dass jemals wieder ein Kontakt hergestellt wurde – ein für W. offenbar tödlicher Fehler.
Es wird angenommen, dass sie wenige Wochen später verstarb. Zu diesem Zeitpunkt hörten die Eintragungen in ihrem Kalender auf – kurz nachdem sie «Ich brauche Hilfe» notiert hatte.
«Es gab so viele Warnzeichen»
Ihre Wohnungsgenossenschaft erhielt auf wiederholte Anrufe, Textnachrichten und sogar Hausbesuche zwischen November 2018 und Januar 2021 keine Antwort – und unternahm ebenfalls nichts. Ihre Miete wurde weiter über das Wohngeld gezahlt. Die Gaszufuhr zu ihrem Haus wurde im Januar 2019 abgestellt.
«Es gab so viele Warnzeichen, von der Sozialfürsorge und den psychiatrischen Teams bis hin zu den Vermietern, aber alle haben ein Auge zugedrückt», kritisiert die Schwester der Verstorbenen.
Der Grafschaftsrat von Surrey erklärte: «Dies ist ein wirklich tragischer Fall, und unser Mitgefühl und tiefes Beileid gilt Lauras Familie und Freunden. Es ist wichtig, dass jeder Aspekt dieses komplexen Falles untersucht wird, und wir sind entschlossen, uns voll und ganz an der Untersuchung zu beteiligen.» (nad)
* Name der Redaktion bekannt