Triumphal verkündete David Cameron seinen Erfolg beim EU-Gipfel. Grossbritannien werde niemals Teil eines «europäischen Superstaats» sein, sagte der britische Premier.
Dank der diversen Zugeständnisse der EU-Partner könne man getrost auf einen Brexit verzichten. Cameron hatte in Brüssel unter anderem durchgesetzt, dass sein Land vom Ziel des weiteren Zusammenwachsens der EU ausgenommen wird.
Zudem wurden Grossbritannien Ausnahmen bei der Zahlung von Sozialleistungen an Arbeitnehmern aus anderen EU-Staaten eingeräumt. Für die britische Finanzbranche gaben die Chefs der Mitgliedsstaaten bestimmte Garantien ab.
«Wir werden stärker, sicherer und besser in der reformierten Europäischen Union sein», warb Cameron. Er werde mit Herz und Verstand für die EU-Mitgliedschaft kämpfen.
Fünf Minister wenden sich gegen Cameron
Ob der konservative Regierungschef die Europa-Gegner in seinem Land damit beeindrucken konnte, bleibt allerdings fraglich: Nach der Kabinettssitzung vom Samstag kündigten gleich fünf Minister an, sich in der Kampagne für einen «Brexit» einzusetzen, darunter Justizminister Michael Gove und Arbeitsminister Iain Duncan Smith.
Cameron hatte es seinen Ministern freigestellt, sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen. Unklar blieb zunächst die Haltung des einflussreichen Londoner Bürgermeisters Boris Johnson. Ihm werden auch Ambitionen nachgesagt, die Nachfolge Camerons antreten zu wollen.
Die britische Presse reagierte mehrheitlich skeptisch auf die von Cameron in Brüssel ausgehandelten Reformen. Für Aufsehen sorgte auf der Insel ausserdem, dass der Medienunternehmer Rupert Murdoch Justizminister Gove für seine ablehnende Haltung gratulierte.
EU-Befürworter fürchten, dass die Blätter Murdochs eine Kampagne für einen Austritt aus der EU starten könnten.
Chancen für Brexit sinken
Die Gefahr eines Brexit ist also auch nach Camerons Erfolg in Brüssel nicht gebannt. Aber: Nach Angaben des Wettbüros Ladbrokers haben sich nach der Einigung in Brüssel die Gewichte in Richtung der EU-Befürworter verschoben. Demnach besteht zurzeit eine 69-prozentige Chance, dass Grossbritannien nicht aus der EU austritt.
Noch deutlicher ist die Stimmung diesbezüglich in Schottland: Umfragen zufolge will eine deutliche Mehrheit der fünf Millionen Wähler in der EU bleiben. Die Engländer, die tendenziell EU-skeptischer sind, stellen in dem Land mit 53 Millionen Bürgern aber die grosse Mehrheit.
Die frühere Vorsitzende der Schottischen Nationalen Partei, Alex Salmond, kündigte an, im Falle eines Austritts Grossbritanniens gehe er von einem zweiten Vorstoss für eine Unabhängigkeit Schottlands aus.
2014 war die Partei bei einer Volksabstimmung über eine Loslösung aus dem Königreich mit 55 zu 45 Prozent gescheitert.
«Wenn wir entgegen unseres Willens herausgedrängt werden, weil die englische Wählerschaft viel grösser ist, dann wird der Druck für ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum nicht mehr zu überwinden sein», sagte Salmond.
Briten fürchten ökonomische Risiken
Beobachter gehen zurzeit davon aus, dass viele Briten emotional gesehen zwar die EU verlassen möchten, aus ökonomischen Überlegungen aber letztlich doch für den Verbleib in der Union stimmen werden.
Die britische Volkswirtschaft ist wirtschaftlich eng mit den europäischen Partnern verbunden. Im Fall eines Brexit dürften sich Exporte wie Importe verteuern.
Zudem würde Grossbritannien Mitspracherechte in Brüssel verlieren - insbesondere bei der für London wichtigen Frage der Finanzregulierung.
Für die EU-Partner wäre ein Brexit ökonomisch ebenfalls riskant. Der Handel mit der Insel würde komplizierter. Hinzu kämen aussenpolitische Risiken: Ohne gemeinsames Auftreten der Europäer im Rahmen der EU dürfte die Lösung globaler Krisen wie in Syrien oder der Ukraine schwieriger werden. (gr/SDA)