Die Europäische Gemeinschaft mit bisher 28 Staaten wird damit in die schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt. Die politischen und wirtschaftlichen Folgen für Grossbritannien könnten schwerwiegend sein. Aktien britischer Unternehmen stürzten am Morgen ab, das Pfund Sterling erreichte den tiefsten Stand seit 1985.
Politische Kräfte in Nordirland und in Schottland machten sich noch vor Bekanntwerden des Endergebnisses für eine Abspaltung von Grossbritannien und den Verbleib in der EU stark. Schotten und Nordiren hatten mehrheitlich für den Verbleib in der EU votiert.
Dagegen gestimmt hatte England - und die Alten. Gemäss dem Institut YouGov stimmten drei Viertel der 18- bis 24-Jährigen für einen Verbleib in der EU. Bei den 25- bis 49-Jährigen stimmten 56 Prozent für ein «remain». Ausschlaggebend für das Schlussresultat waren aber die Wähler ab 50 Jahren. Sie stimmten deutlich für ein Verlassen der EU, ein «leave».
Schliesslich stimmten 51,9 Prozent für den Austritt aus der EU. Insgesamt hätten 17,4 Millionen Menschen für den Brexit votiert, teilten die britischen Behörden am Freitagmorgen nach Auszählung sämtlicher 382 Wahlbezirke mit. Gut 16,1 Millionen Menschen und damit 48,1 Prozent der Beteiligten stimmten dagegen für den Verbleib im Staatenbund.
Die Wahlbeteiligung lag bei 72,2 Prozent, zuvor hatten sich 46,5 Millionen Wähler für die Abstimmung registriert. Das Referendumsgesetz legt streng genommen nicht fest, dass Grossbritannien auch wirklich aus der EU austreten muss. In der Praxis jedoch hätte das Parlament wohl keine Wahl.
Noch am Freitagmorgen kündigte Premierminister David Cameron seinen Rücktritt bis Oktober an. Er hatte das Referendum im Januar 2013 unter dem Druck des europaskeptischen Flügels seiner konservativen Partei angesetzt - und den Poker nun verloren.
Er werde in den kommenden Monaten «das Schiff stabilisieren», doch wolle er bis Anfang Oktober die Regierungsführung übergeben. «Ich denke nicht, dass es richtig wäre für mich, der Kapitän zu sein, der unser Land zu seinem nächsten Ziel steuert», sagte Cameron bei dem Auftritt vor seiner Residenz in Downing Street.
«Ich denke, es ist richtig, dass der nächste Premierminister die Entscheidung trifft, wann der Artikel 50 ausgelöst wird», sagte er mit Blick auf Artikel 50 des EU-Vertrags, in dem ein Austritt eines EU-Landes geregelt ist.
Angesichts der durch den Brexit ausgelösten Turbulenzen an den Börsen hält Grossbritanniens Aussenminister Philip Hammond eine Stabilisierung der Finanzmärkte nun für die entscheidende Aufgabe. «Wir müssen sofort versuchen, den Prozess in den Märkten zu stabilisieren», sagte Hammond in London.
«So viel wie möglich» müsse von den Handelsbeziehungen mit den EU-Ländern aufrechterhalten werden. Dies gelte auch für die Londoner City, einen der grössten Finanzplätze der Welt.
Nach Hammonds Auffassung werde Grossbritanniens Stimme in der verbleibenden Zeit in der Union kaum noch Gehör finden. Grossbritannien habe eine sehr gewichtige Stimme in der EU gehabt. «Niemand kann sich vorstellen, dass sie jetzt noch Gewicht hat», sagte er. «Es ist die Stimme von jemanden, der halb draussen ist.»