Brexit-Nachverhandlungen
Johnson beisst mit Änderungswünschen in Brüssel auf Granit

Mit einer neuen diplomatischen Offensive zur Änderung des Brexit-Vertrags stösst der britische Premierminister Boris Johnson in Brüssel auf Ablehnung.
Publiziert: 21.08.2019 um 12:59 Uhr
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Aktualisiert: 21.08.2019 um 15:45 Uhr
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Boris Johnson will mit der EU über den Brexit nachverhandeln.
Foto: AFP

EU-Ratspräsident Donald Tusk reagierte am Dienstag kühl auf einen Brief, in dem Johnson abermals die Streichung der vereinbarten Garantieklausel, den sogenannten Backstop, für eine offene Grenze in Irland fordert.

Johnson besucht Merkel und Macron

Als nächstes will Johnson am Mittwoch in Berlin mit Kanzlerin Angela Merkel und am Donnerstag in Paris mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron reden.

Es handelt sich um Johnsons ersten Besuch in Berlin seit seinem Amtsantritt als Premierminister Ende Juli. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert telefonierten Merkel und Johnson seither einmal.

Nach einem gemeinsamen kurzen Auftritt vor den Medien wollen Johnson und Merkel demnach über die deutsch-britischen Beziehungen sowie über internationale und europapolitische Themen beraten.

Am Donnerstag wird Johnson vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris empfangen, wie der Elysée-Palast am Montag mitteilte. Demnach will Macron mit ihm vor dem G7-Gipfel über den Brexit und andere Themen beraten. Geplant seien ein Arbeits-Mittagessen sowie eine vorausgehende Medienkonferenz.

Regierung warnt vor Chaos bei No-Deal-Brexit

Johnson will Grossbritannien am 31. Oktober aus der EU herausführen. Weil das von seiner Vorgängerin Theresa May ausgehandelte Austrittsabkommen keine Mehrheit im britischen Parlament fand, wächst jedoch die Furcht vor einem chaotischen EU-Austritt.

So war am Wochenende ein internes Papier bekannt geworden, wonach die britische Regierung im Falle eines No-Deal-Brexit einen Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und Benzin erwartet. Darüber hinaus werde ein monatelanger Zusammenbruch in den Häfen befürchtet.

Er hoffe deshalb sehr, «dass wir mit einem Deal ausscheiden werden», schrieb der Regierungschef an Tusk. Die EU beharrt aber darauf, nicht nachzuverhandeln.

Johnson will Backstop kippen

In seinem Brief wiederholte Johnson seine kategorische Ablehnung des Backstops. Dieser soll dazu dienen, Grenzposten zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Staat Irland sowie neue politische Spannungen auf der Insel zu vermeiden.

Notfalls soll Grossbritannien deshalb Teil der EU-Zollunion bleiben, bis eine andere Lösung gefunden wird. Mit dieser Lösung kann Grossbritannien jedoch nach dem Brexit keine eigene Handelspolitik machen und bleibt zum Teil an EU-Regeln gebunden.

Johnson schrieb, der Backstop sei undemokratisch und schränke die staatliche Souveränität Grossbritanniens ein. Deshalb könne dieser «nicht Teil eines vereinbarten Austrittsabkommens» sein. Er schlug stattdessen vor, einen Verzicht auf Grenzkontrollen zu vereinbaren.

Bis zum Ende einer Übergangsperiode sollen «alternative Vereinbarungen» gefunden werden, die Kontrollen überflüssig machen und Teil eines künftigen Handelsabkommens wären. Gelingt dies nicht rechtzeitig, verspricht Johnson, «konstruktiv und flexibel zu schauen, welche Verpflichtungen helfen könnten».

Foto: Blick Grafik

Johnson beharrt Einlenken der EU

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte am Dienstag, der Backstop sei die einzige Lösung für die irische Frage, die beide Seiten bisher gefunden hätten. Johnsons Brief enthalte keine juristisch umsetzbare Alternative.

EU-Ratschef Tusk schrieb auf Twitter: «Jene, die den Backstop ablehnen und keine realistische Alternative vorschlagen, unterstützen die Errichtung einer Grenze. Auch wenn sie das nicht zugeben.»

Auch Kanzlerin Merkel lehnte die Forderungen Johnsons ab. «Wir werden weiter als EU-27 sehr geeint sein und auch vorgehen», sagte Merkel am Dienstag in der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Johnsons Vorbehalte gegen den Backstop seien nicht neu.

Wenn man wolle, könne man innerhalb kurzer Zeit eine Lösung für die Grenze finden. «Dazu müssen wir das Austrittsabkommen nicht aufmachen», fügte sie allerdings hinzu. «Das ist eine Frage der zukünftigen Beziehungen.» Merkel spielte zudem den Ball zurück nach London: Abgesehen von der Debatte über das Austrittsabkommen müsse Grossbritannien für sich entscheiden, «welchen Weg es geht».

Johnson jedoch beharrte in einem Tweet am Dienstag darauf, dass die EU schon noch nachgeben werde, aber dass man sich auch auf einen Austritt ohne Vertrag einstellen müsse.

Am Montagabend telefonierte Johnson fast eine Stunde lang mit dem irischen Ministerpräsidenten Leo Varadkar. Ausserdem sprach er mit dem finnischen Regierungschef Antti Rinne, der derzeit den Vorsitz der EU-Länder führt. Öffentlich blieben die Fronten danach aber verhärtet.

Grossbritannien will EU-Treffen schwänzen

Grossbritannien wird ab 1. September bei den meisten EU-Treffen nicht mehr vertreten sein. Dies geschehe, damit sich die Beamten auf «die zukünftige Beziehung mit der EU und anderen Partnern weltweit» konzentrieren könnten, begründete die die EU-Botschaft des Vereinigten Königreichs in Brüssel am Dienstag den Schritt in einer Mitteilung.

Britische Vertreter und Minister nehmen nur noch an Treffen teil, an deren Diskussionsergebnissen Grossbritannien ein «bedeutendes nationales Interesse» habe, wie zum Beispiel im Bereich Sicherheit.

Damit könnten sich die Beamten auf «die zukünftige Beziehung mit der EU und anderen Partnern weltweit» konzentrieren, hiess es weiter. Denn die EU-Sitzungen seien unglaublich arbeitsintensiv, erläuterte Brexit-Minister Stephen Barclay. (SDA)

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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