Eigentlich hätte der Freitag ein besonderer Tag werden sollen: 29. März, Tag des Brexits. Doch der Jubel blieb den Anhängern eines EU-Ausstiegs im Halse stecken. Weil das Unterhaus in London den Vertrag mit Brüssel erneut ablehnte, ist die «Befreiung aus der europäischen Knechtschaft» fürs Erste aufgeschoben.
Wollen die Briten einen ungeregelten Brexit verhindern, müssen sie bis zum 12.April einen alternativen Plan vorlegen. Oder um einen deutlich verlängerten Aufschub des Austritts bitten (siehe Grafik unten).
Parteiwohl kommt vor Landeswohl
Für Theresa May und ihr Austrittsabkommen war es bereits das dritte «No» in Folge. Doch schon am Morgen war die Premierministerin wieder im Kampfmodus. Die Schlappe im Unterhaus? Abgehakt. Zehn Minister ihres Kabinetts kämpfen darum, sie in Downing Street abzulösen? No comment.
So ist das immer gewesen, seit Theresa May nach dem überraschenden Ausgang des Brexit-Referendums vor fast drei Jahren ins Amt der Regierungschefin gespült wurde. Ein ums andere Mal stellte die Pastorentochter die Interessen ihrer konservativen Partei über die des Landes. Derweil bietet ihr Kabinett den Anblick einer Gruppe machtgeiler Männer, die einander argwöhnisch belauern.
Massive Verstösse gegen Wahlgesetze
Nun stellte sich auch noch heraus: Für ihr Ziel, die Mitgliedschaft des Königreichs in der Europäischen Union zu beenden, war Brexit-Fanatikern so gut wie jedes Mittel recht. Eine am Freitag publizierte Untersuchung der Wahlkommission hat ergeben, dass die Verstösse gegen die Wahlgesetze während der Referendumskampagne der EU-Gegner 2016 «vorsätzlich und massiv» waren.
Die Brexit-Kampagne wurde unerlaubt mit Geldern aus dem Ausland finanziert. So wurde die Beeinflussungskampagne von Cambridge Analytica bezahlt – demselben Unternehmen, das mit illegal verwendeten Daten von Facebook-Nutzern auch am Wahlkampf von Donald Trump beteiligt war.
Doch was kümmert die Brexit-Anhänger eine von der Wahlkommission auferlegte Busse? Zum Schnäppchenpreis von 61'000 Pfund, die noch am Freitag bezahlt wurden, haben sie sich ein ganzes Land unter den Nagel gerissen.
Mays Zermürbungstaktik
Weil die Zeit nun wirklich drängt, werden die britischen Abgeordneten morgen Montag noch einmal über eigene Austrittsvarianten diskutieren. Der Vorschlag mit der grössten Unterstützung soll dann wohl Mitte der Woche im Plenum gegen den offiziellen Vertragsentwurf der Regierung antreten.
Es wäre die vierte Entscheidung des Parlaments über Mays Austrittsvertrag mit Brüssel. Die Premierministerin scheint darauf zu setzen, den Widerstand im Parlament mit immer neuen Abstimmungen zu zermürben.
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.
BLICK zeigt die wichtigsten Stationen des chaotischen Prozesses seit dem Austrittsvotum der Briten auf.
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.
BLICK zeigt die wichtigsten Stationen des chaotischen Prozesses seit dem Austrittsvotum der Briten auf.