Im Parlament begleiteten die Gegner von Rousseff jede Stimme für das Amtsenthebungsverfahren mit lautem Jubel. Mindestens zwei Abgeordnete zündeten sogar Partyknaller mit Konfetti. Am Ende votierten 367 Abgeordnete für eine Amtsenthebung, 137 dagegen.
Noch während der Wahl räumte die linke Arbeiterpartei von Rousseff ihre Niederlage ein. «Die Verschwörer des Staatsstreichs haben hier gewonnen», sagte Fraktionschef José Guimaraes. Rousseffs Regierung erkenne die «vorübergehende Niederlage» an. «Aber das bedeutet nicht, dass der Krieg vorbei ist. Der Kampf wird auf der Strasse und im Senat weitergehen.»
Mit dem Votum im Senat über die formelle Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens wird Anfang Mai gerechnet.
Rousseff wird vorgeworfen, Haushaltszahlen manipuliert zu haben, um ihre Wiederwahl 2014 zu sichern. Die Präsidentin bestreitet die Vorwürfe und bezeichnet sie konsequent als «Putschversuch». Kritiker machen Rousseff auch für die schwerste Rezession in Brasilien seit Jahrzehnten verantwortlich.
Vor dem Kongressgebäude versammelten sich am Sonntag sowohl Gegner als auch Anhänger der Präsidentin. Tausende Polizisten sind im Einsatz. Um die gegnerischen Demonstranten voneinander zu trennen, wurde ein zwei Meter hoher Sicherheitszaun über eine Länge von einem Kilometer aufgebaut. Auch in der Grossstadt Sao Paulo gingen Hunderttausende Unterstützer und Gegner auf die Strasse.
In Rousseffs Amtszeit fällt auch einer der schwersten Korruptionsskandale des Landes, der sich um den Ölkonzern Petrobras dreht. Die vielen Streitigkeiten lähmen die Regierung seit langem. In Umfragen haben sich 60 Prozent der Bürger für eine Amtsenthebung von Rousseff ausgesprochen.
Aus dem Umfeld des Senats, der nun das vorläufig letzte Wort hat, hatte es zuletzt geheissen, die Präsidentin ebenfalls nicht zu stützen, sollte das Abgeordnetenhaus für ein Amtsenthebungsverfahren stimmen. Dazu müssten sich mindestens 41 der 81 Senatoren für ein Verfahren aussprechen.
Rousseffs Amtsführung würde dann vorübergehend für bis zu 180 Tage ausgesetzt. Ihr derzeitiger Vertreter und Rivale Michel Temer müsste dann die Amtsgeschäfte übernehmen.
Anschliessend würde das Verfahren starten, das der Chef des Obersten Gerichts, Ricardo Lewandowski, leiten würde. Dafür stehen 180 Tage zur Verfügung. Beobachter rechnen aber damit, dass aufgrund der politischen Krise im Land eine Entscheidung möglicherweise schon bis Ende Mai fällt.
Wenn mindestens zwei Drittel der 81 Senatoren gegen Rousseff stimmen, würde sie als schuldig gelten und alle politischen Rechte verlieren. Sie dürfte in den folgenden acht Jahren für politische Ämter nicht mehr kandidieren. Temer würde dann Präsident für den Rest der ursprünglichen Amtszeit Rousseffs bis zum 31. Dezember 2018. (SDA)