Der 12. Mai 2016 ist für die 68-jährige brasilianische Staatspräsidentin Dilma Rousseff ein schwarzer Tag. Die Mehrheit des Senats hat entschieden, sie vorübergehend aus dem Amt zu entheben.
Was hat sie falsch gemacht? Im Amtsenthebungsverfahren wird ihr vorgeworfen, im Staatshaushalt mit Bilanztricks Zahlen beschönigt zu haben.
Ein Beispiel: Die Regierung soll die Überweisung von rund einer Milliarde Franken für ein Hilfsprogramm für Bauern bewusst verzögert haben, um das Defizit der Staatsrechnung zu verringern. Das sollen auch schon Vorgängerregierungen gemacht haben.
Auch seien sechs Dekrete für milliardenschwere Kredite für staatliche Ausgaben erlassen worden – ohne Zustimmung des Kongresses.
Dilma Rousseff weist die Vorwürfe zurück. Sie spricht von einem «Putsch». Sie war 2011 als erste Frau zur Staatschefin gewählt worden, um genau solche undurchsichtigen Methoden im Staatsapparat sowie Korruption zu bekämpfen.
Rousseff hatte schon in ihrer Jugend als Mitglied des bewaffneten Comando de Libertação Nacional gegen die damalige Militärdiktatur gekämpft. 1970 wurde sie verhaftet und – nach eigenen Angaben – über längere Zeit gefoltert. Ihr seien damals vier Zähne ausgeschlagen worden.
Nach der Zulassung politischer Parteien gründete sie die Partido Democrático Trabalhista und schlug eine politische Karriere ein. 2002 wurde sie Energieministerin, 2005 Kabinettschefin.
In diesen beiden Funktionen war sie auch Verwaltungsratspräsidentin von Petrobras. Der Ölkonzern stürzte 2014 in die Krise, als sich Vorwürfe jahrelanger Korruption, Veruntreuung und Parteienbestechung erhärteten.
Weil unter Rousseff auch die Wirtschaft zu lahmen begann, drehte sich der Wind gegen sie. Unter ihrem Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva (70) war die Wirtschaft kräftig angewachsen, auch dank der sprudelnden Öleinnahmen.
Dilma Rousseff macht für den angeblichen Putsch den Vizepräsidenten Michel Temer verantwortlich. Der 75-Jährige von der demokratischen Bewegung PMDB, der mit der 32-jährigen ehemaligen Vizemiss von São Paolo, Marcela Tedeschi Araújo, verheiratet ist, wird bei einer Absetzung Rousseffs automatisch der neue Präsident Brasiliens.
Die Amtsenthebung Rousseffs ist auf 180 Tage befristet, dann wird über eine definitive Enthebung entschieden. Rousseff gibt sich kämpferisch, beteuert ihre Unschuld. Sie will ihre Amtszeit zu Ende führen. Rousseff: «Ich sage euch, mein letzter Tag im Amt wird der 31. Dezember 2018 sein.»