Proteste in Venezuela
Blutiger Machtkampf forderte bereits 21 Tote

Im erbitterten Machtkampf in Venezuela hat es bereits rund 1300 Festnahmen gegeben. Seit dem Ausbruch der Proteste am 4. April seien mindestens 1289 Menschen festgenommen worden, teilte der Direktor von Foro Penal Venezolano, Alfredo Romero, in Caracas mit.
Publiziert: 22.04.2017 um 02:53 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 08:35 Uhr
1/8
Bei gewaltsamen Protesten sind in Venezuela mehrere Menschen getötet worden.

Diese Organisation ist ein Zusammenschluss von rund 200 Anwälten, die sich um die Betreuung von Gefangenen kümmert und für die Verteidigung der Menschenrechte einsetzt. Allein seit Mittwoch habe es in der besonders dramatischen Phase rund 750 Festnahmen gegeben.

Mehrere Menschen mit Kopfschüssen ermordet

Bei Unruhen und Protesten starben seit Anfang April 21 Menschen - davon neun im Zusammenhang mit Demonstrationen, mehrere Menschen wurden mit Kopfschüssen getötet. In der Nacht zu Freitag spielten sich dann im Viertel La Valle im Südosten von Caracas drastische Szenen ab. Demonstranten und Polizisten lieferten sich Strassenschlachten, es kam zu massiven Plünderungen. Insgesamt starben in der Nacht zwölf Menschen - elf in La Valle und ein Mann im Armenviertel Petare.

Das Land mit den grössten Erdölreserven der Welt (rund 300 Milliarden Barrel - ein Barrel entspricht 159 Liter) ist seit dem Zerfall des Erdölpreises vor rund drei Jahren in die tiefste Krise seiner Geschichte gerutscht. Es wird kaum noch etwas produziert und auch die Erdölförderung ist stark eingebrochen. Wegen der Bedienung milliardenschwerer Auslandsschulden und der höchsten Inflation der Welt können kaum noch Lebensmittel und Medikamente importiert werden, die in Euro oder Dollar zu bezahlen sind.

Maduro macht den niedrigen Erdölpreis und einen «Wirtschaftskrieg» ausländischer Mächte verantwortlich. 2016 brach die Wirtschaftsleistung um 18 Prozent ein. Rund 95 Prozent der Staatseinnahmen macht der Erdölexport aus - in Zeiten niedriger Preise erweist sich diese Abhängigkeit als fatal.

Attacke auf Kinderspital

Die meisten Opfer in La Valle starben durch Schüsse und Stromschläge beim Versuch, Elektrogeräte aus einer Bäckerei zu plündern. Die Regierung und die Opposition beschuldigten sich gegenseitig, für die Opfer verantwortlich zu sein. Auch ein Kinderspital wurde attackiert, 54 Kinder mussten - auch wegen Tränengaswolken - in Sicherheit gebracht werden. Das Viertel gilt als Hochburg der linken Szene - Präsident Nicolás Maduro wurde hier geboren und ging hier zur Schule. Daher ist das Aufkommen von Unruhen bemerkenswert - lange war in dieser Gegend die Zustimmung zu den Sozialisten besonders hoch.

Venezuelas Vizepräsident Tareck El Aissami rief das Volk zur «maximalen Mobilisierung» gegen einen möglichen Putsch auf: «Die Rechte ist voller Hass, sie erzeugt eine neue terroristische Spirale, ein Komplott mit Verbrechen, sie benutzen kriminelle Banden, um ein friedliches Volk zu attackieren.» Berichten zufolge kam es nach der tödlichen Nacht zu Razzien in La Valle. Die Generalstaatsanwaltschaft kündigte eine Untersuchung der Vorfälle an. Auch von Seiten der gegen die Regierung demonstrierenden Menschen wird zunehmend Gewalt eingesetzt, Molotowcocktails fliegen, und es brennen Barrikaden.

«Die Gewalt hat einen Namen: Nicolás Maduro»

Parlamentspräsident Julio Borges meinte hingegen mit Blick auf die Bewaffnung von 500 000 Milizen und die Brandmarkung der Demonstranten als Terroristen, dass allein Präsident Maduro verantwortlich für die Eskalation sei. «Die Gewalt hat einen Namen: Nicolás Maduro.» Die Regierung verhindere, dass das Volk an den Urnen entscheide.

Die Amerika-Direktorin von Amnesty International, Erika Guevara Rosas, meinte: «Venezuela entwickelt sich zu einem Land, wo die Anstrengungen zu Repression die Anstrengungen zum Schutz der Bürger übertreffen.» Für Samstag ist ein Schweigemarsch in weiss in Gedenken an die Toten geplant, bevor am Montag wieder Hunderttausende für Neuwahlen und die Ablösung Maduros demonstrieren wollen.

Die Opposition rief das Militär zum Bruch mit Maduro auf. «Gehen Sie nicht mit der Titanic Maduros unter», appellierte Parlaments-Vizepräsident Freddy Guevara an die Adresse von Verteidigungsminister Vladimir Padrino. Angesichts der Gewalt im ganzen Land forderte auch der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, Luis Almagro, Maduro auf, die teils brutal agierenden Milizen abzuziehen, die auf Motorrädern die Demonstranten attackieren. (SDA)

Fehler gefunden? Jetzt melden