Eisbären terrorisieren russische Insel
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Sie dringen in Häuser ein:Eisbären terrorisieren russische Insel

BLICK sprach mit einer Bewohnerin des russischen Eisbären-Dorfes
«Ich lasse meine Tochter nicht mehr raus!»

Die Eisbären auf der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja spazieren ungehemmt in Siedlungsgebieten. Die Bewohnerin Anastasya Alexejeva (30) erzählt BLICK von ihrem Alltag mit den tierischen Nachbarn und wie sich die Menschen zu schützen versuchen.
Publiziert: 13.02.2019 um 18:58 Uhr
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Aktualisiert: 06.12.2019 um 17:03 Uhr
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Anastasya Alexejeva, Mutter einer dreijährigen Tochter, lebt zusammen mit ihrem Kind und ihrem Mann in Beluschja Guba auf der Doppelinsel Nowaja Semlja (Russland).
Foto: Instagram
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Anastasia MamonovaBlattmacherin Digital

Wenn sie mit ihrer dreijährigen Tochter Sofia die Wohnung verlässt, ist Anastasya Alexejeva (30) besonders vorsichtig. Denn vor ihrem Haus in Beluschja Guba (Russland) könnte jederzeit ein Eisbär lauern. Innerhalb der letzten Wochen wurden mindestens 52 Eisbären auf der Doppelinsel Nowaja Semlja gesichtet (BLICK berichtete). Die Behörden riefen den Notstand aus.

Die 30-jährige Russin sagt zu BLICK: «Die meisten Bären habe ich aus meinem Fenster beobachtet. Viele von ihnen halten sich auf dem gefrorenen See direkt vor unserem Haus auf.» Am Anfang habe sie grosse Angst vor den Bären gehabt, mittlerweile habe sie sich fast an die pelzigen Nachbarn gewöhnt. «Die meisten sind nicht aggressiv.» 

Dennoch sei es vorgekommen, dass Menschen verletzt wurden. «Ich weiss von einem Fall, als ein Mann frisches Poulet gekauft hatte und ein Bär ihm den Sack mit dem Fleisch aus der Hand rausriss. Dabei traf er den Mann am Bein. Er hatte vom Knie bis zum Knöchel einen riesigen blauen Fleck», erzählt die 30-Jährige.

Auf dem Weg zum Einkaufen drehte sie um

Die Mutter einer Tochter blieb bisher glücklicherweise unversehrt. «Einmal war ich mit meinem Kind draussen, als wir 30 Meter vor uns einen Bären im Müll wühlen sahen. Das Tier hat sich aber nur kurz was gekrallt und ist dann weggerannt», sagt Alexejeva. «Angst hatte ich keine. Ich bin auch extra stehen geblieben, um meiner Tochter den Bären zu zeigen. Doch bis sie das weisse Tier im weissen Schnee sehen konnte, war er schon weg», sagt die Mutter. 

Beim zweiten Mal sah die Situation schon anders aus. «Wir wollten einkaufen gehen, als wir auf dem Weg zum Supermarkt vier riesige Bären bei der Mülltonne hinter dem Laden sahen. Sie waren zwar damit beschäftigt, da etwas Essbares rauszufischen und beachteten die Menschen eigentlich gar nicht. Trotzdem ist mir dann die Lust vergangen, Essen einkaufen zu gehen», sagt die Frau.

Manche Bären hätten aber offenbar mehr Angst vor den Menschen als umgekehrt. «Kürzlich ist ein Mann auf dem Eis ausgerutscht und einen Hügel runtergesaust. Er blieb sieben Meter vor einem Eisbären liegen. Er hat dann aber so laut geschrien, dass der Bär vor ihm weggerannt ist», sagt Anastasya Alexejeva. 

«Keiner will, dass sein Kind in Bärenpfoten rutscht»

Seit drei Jahren lebt sie zusammen mit Sofia und ihrem Mann im hohen Norden. Noch nie hat sie so viele Bären wie in den letzten Wochen gesehen. «Eigentlich interessiert sich der Bär nicht für die Menschen, er kommt her, weil er in den Abfällen Essbares findet.» Sie klagt: «Würde man den Müll endlich wegräumen, wäre auch das Problem gelöst. Es gibt eine Deponie hinter der Dorfgrenze, dort waren die Bären schon immer, und das stört auch keinen. Das grosse Problem ist aber der Abfall direkt neben den Häusern.» Die Behörden wollen nun bis 2020 eine Verbrennungsanlage bauen. Vier Jahre früher als eigentlich geplant, berichtet die Nachrichtenagentur Tass.

Alexejevas Tochter Sofia leidet unter dem Bären-Besuch – denn sie kann nicht mehr unbeschwert draussen spielen. «Ich lasse meine Tochter nicht mehr raus», sagt die Mutter. Das belastet sie selbst am meisten: «Es gibt in diesem Dorf nicht viel. Der grösste Spass für die Kleinen war, den Hügel zum gefrorenen See runterzurutschen.» In den letzten Wochen seien die Tage auf der Doppelinsel aber extrem kurz gewesen. «In der Nähe des Hügels gibt es keine anständige Beleuchtung, darum haben die Eltern ihre Kinder nicht mehr rausgelassen. Keiner will, dass sein Kind direkt in die Bärenpfoten rutscht.» 

«Bären-Patrouille» im Dauereinsatz

Immerhin seien die Schulbusse für die Kinder gut organisiert. «Auch das Militär schaut rund um die Uhr, dass nichts passiert. Besonders dann, wenn die Menschen morgens zur Arbeit gehen und abends wieder nach Hause kommen», sagt Alexejeva. Die «Bären-Patrouille» fahre im Kettenfahrzeug rum und versuche, die Vierbeiner mit lauten Sirenen-Signalen zu vertreiben. «Die Bären gehen aber eher ungern weg. Sie sehen so aus, als ob sie uns einen Gefallen machen. Früher hatten sie mehr Angst vor den Autos, jetzt haben sie sich daran gewöhnt», sagt die Russin.

Nicht nur das Militär, auch die vielen Strassenhunde in Beluschja Guba beschützen die Menschen. «Sie sind für uns ein Segen. Wenn sich ein Bär nähert, fangen sie an, laut zu bellen, und machen uns auf sie aufmerksam», sagt Alexejeva.

Wenn gerade kein Militär, kein Hund und kein Haus in der Nähe sind, helfen Leitern an Strassenlaternen. «Die Konstruktionen wurden extra aufgestellt, damit die Menschen im Notfall raufklettern können.» Ob eine Leiter tatsächlich hilfreich wäre, bezweifelt Anastasya Alexejeva. Schliesslich könnten auch Eisbären klettern.

«Ich versuche, Ruhe zu bewahren, schliesslich sind die Eisbären die wahren Einheimischen. Ich habe alte Fotos aus Sowjetzeiten gesehen, auf denen Menschen hier neben den Tieren zu sehen sind. Sie konnten scheinbar ohne Probleme zusammenleben. Ich hoffe, dass das eines Tages wieder möglich sein wird.» 

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