Eigentlich bedeutet AKP «Adalet ve Kalkınma Partisi», Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt. Doch die AKP macht sich vielmehr als «Angst-und-Kontrolle-Partei» einen Namen. Das macht die Wahl vom Wochenende einmal mehr deutlich. Denn Angst und Kontrolle waren die massgebenden Hilfsmittel, um den Parteisultan Recep Tayyip Erdoğan (61) auf seinem Thron zu halten.
Im Juni verlor die Partei Erdoğans ihre absolute Mehrheit. Das durchkreuzte seinen Plan, der neue «Vater der Türken» zu werden. Ganz offen verfolgt er das Ziel, ein Präsidialsystem zu installieren, in dem er das absolute Sagen hat. Denn eigentlich hätte der Staatspräsident der Türkei nur repräsentative Aufgaben. Erdoğan aber will mehr. Er will es in denselben Olymp wie Mustafa Kemal Atatürk, der bisherige «Vater der Türken», schaffen.
Wählen, bis das Resultat stimmt
Der gewiefte Stratege Erdoğan tat nach der missglückten Juni-Wahl alles dafür, nochmals wählen zu lassen. Schwierig war das nicht. Eine Regierungskoalition kam nicht zustande. Denn Konsens und Konkordanz, wie wir sie in der Schweiz kennen, sind keine geläufigen Modelle in der türkischen Politik.
Erdoğan konnte ganz legal Neuwahlen anordnen. Er machte keinen Hehl daraus, dass es nun darum gehe, das Ergebnis vom Juni zu «korrigieren». Am Sonntag stellte sich heraus: Für Erdoğan hat sich das gelohnt. Die AKP erlangte fast 50 Prozent der Wählerstimmen und kann nun doch weiterhin alleine regieren.
Im Wahlkampf musste Erdoğan dem Volk eines klar machen: Ohne AKP geht es nicht. Die Partei nutzte die bereits aufgeladene Stimmung und intensivierte das Chaos im Land, um am Schluss als Retterin da zu stehen. Kritische Stimmen standen da nur im Weg. Die längst AKP-gesteuerte Justiz verhaftete medienwirksam kritische Journalisten und zögerte nicht, TV-Sender während des laufenden Betriebs in ihre Gewalt zu nehmen.
Aber nicht nur Journalisten riskierten eine Verhaftung. Die Polizei holte sich einen 13-jährigen Schüler direkt aus dem Klassenzimmer heraus. Der Vorwurf: Beleidigung des Präsidenten – über Facebook! Regierungskritiker sollten möglichst den Ruf erhalten, Extremisten, Verschwörer und eine Minderheit zu sein.
Neuer, alter Hass gegen Kurden
Ebenfalls in die Extremisten-Ecke musste Erdoğan die linke Kurdenpartei HDP stellen. Sie schaffte im Juni den Einzug ins Parlament. Das kostete die AKP Sitze. Die Regierungspartei sagte der HDP deshalb Verbindungen zur Kurden-Miliz PKK nach. Diese versetzte das Land seit dem Sommer in Angst und Schrecken, indem sie wieder türkische Polizisten und Soldaten umbrachte. Und tatsächlich verlor die HDP bei der zweiten Wahl an Stimmen.
Die Mittel eines Diktators
Kontrolle ist besser als Vertrauen. Angst ist besser als Zufriedenheit. Das scheint gemäss AKP auch für eine vermeintlich demokratische Wahl zu gelten. Im Osten des Landes kontrollierten Sicherheitskräfte die Wahlabgabe. Bewaffnet und maskiert. Zugegeben, die Strategie ging auf.
Sogar eigentliche Opfer einer AKP-Politik wählten offenbar die Erdoğan-Partei. Frauen, die gemäss Regierungsvertreter nicht mehr im öffentlichen Raum lachen sollten. Kurden, die allesamt potenzielle PKK-Anhänger seien. Und Homosexuelle, die nicht ins konservativ-islamische Weltbild Erdoğans passen.
Angst und Kontrolle sind bekanntlich Instrumente von Diktatoren. In einer echten Demokratie haben sie nichts verloren.