Auf einen Blick
- Mutmasslicher Anschlag in München: Auto rast in Demonstration
- Täter war Asylbewerber aus Afghanistan, nicht polizeibekannt
- 30 Personen verletzt, einige lebensgefährlich, auch Kinder betroffen
Im Münchner Lokalradio ist die Rede von einem «alles überschattenden Ereignis», von einem «dunklen Tag».
Am Donnerstagvormittag ist Farhad N.* (24), ein abgewiesener Asylbewerber aus Afghanistan, mit seinem cremefarbenen Mini Cooper in einen Demozug der Gewerkschaft Verdi gedonnert. Er verletzte 30 Menschen, einige davon lebensgefährlich. Auch ein zweijähriges Kind soll sich unter den Schwerverletzten befinden.
«Mit aller Härte des Gesetzes reagieren»
Entgegen früher Meldungen war der Mann nicht polizeibekannt. Er sei aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit als Ladendetektiv als Zeuge bei der Polizei geführt worden. Es gab keine Hinweise auf eine Gefährdung. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (68) musste seine eigene Aussage, wonach Farhad N. wegen Drogendelikten und Diebstählen auffällig geworden war, am frühen Donnerstagabend berichtigen. Diese Falschinformation sei aufgrund «der Kürze der Zeit geschuldet gewesen» sagte ein Polizeisprecher später.
Der Asyl-Antrag von Farhad N. wurde abgelehnt, allerdings musste der Täter das Land nicht verlassen. Er soll demnach eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis der Stadt München gehabt haben.
Zu einem möglichen Motiv gab es bis Redaktionsschluss nur wenige Hinweise. «Es handelt sich wohl mutmasslich um einen Anschlag», sagte der Bayrische Ministerpräsident Söder in einer ersten Stellungnahme am Ort des Geschehens. Der «Spiegel» berichtet, der Täter habe vor seiner Horror-Fahrt islamistische Posts abgesetzt.
Farhad N. wurde verhaftet und soll am Freitag einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden.
Eine, die die grauenhaften Szenen miterleben musste, war Alexa Gräf. Zu Medien vor Ort sagte die junge Frau: «Als die Demo über die Kreuzung lief, raste ein Auto von hinten in sie hinein. Er raste sicher so mit 60 km/h bis 80 km/h.» Auch Schüsse hörte die junge Frau. Die Polizei bestätigte später, auf das Auto geschossen zu haben, um die Wahnsinnstat zu stoppen.
Farhad N. soll nach der Tat in seinem Mini sitzengeblieben sein, wie Zeugen berichteten. Bilder von der Verhaftung zeigen, wie mehrere Beamte den Täter zu Boden drücken.
«Was läuft denn in Deutschland falsch?»
Am Donnerstagnachmittag ist die Stadt in Schockstarre. «Ich habe bereits alles, was ich gesehen habe, der Polizei erzählt. Ich möchte das nicht noch einmal erzählen», sagt ein Ladenbetreiber traurig zu Blick, direkt neben dem Tatort. Dieser ist weiträumig abgesperrt, Polizistinnen und Polizisten haben Kreuzungen und Gehwege mit Absperrband zugemacht.
Inmitten der Kreuzung steht es auch Stunden nach dem mutmasslichen Anschlag das Tatauto. Polizisten, Feuerwehr und Forensik sind an diesem Nachmittag nach wie vor damit beschäftigt, die Spuren zu dieser scheusslichen Tat zu sichern und Licht ins Dunkel zu bringen.
Überall liegen kreuz und quer Warnwesten und Fahnen der Gewerkschaft Verdi am Boden. Am Rande des Tatortes flattern gebrauchte silbern-goldene Wärmedecken im Wind. «Ihr Schweizer müsst ja auch denken: Was läuft denn in Deutschland falsch?», sagt einer der zahlreichen deutschen Journalisten und Kameraleute zu Blick, als im Hintergrund der cremefarbene Mini Cooper vom ADAC abgeschleppt wird.
Innenministerin Nancy Faeser sagte am Abend beim Ort des Geschehens: «Wir müssen mit aller Härte des Gesetzes reagieren. Es kann nicht sein, dass Menschen hierher in unser Land kommen, und Straftaten begehen.»
«Täter ist Migrant. Ich bin auch Migrantin»
Eine junge Frau läuft aus einem der zahlreichen Bürokomplexe. Katerina (22) sagt zu Blick: «Wir haben wahnsinnig viele Sirenen gehört.» Sie musste erst im Büro bleiben und durften nicht raus. «Es ist schrecklich, die vielen Verletzten», sagt Katerina. Ihren normalen Nachhauseweg, der über den Tatort führt, nimmt sie heute nicht: «Ich habe Angst. Deswegen gehe ich heute lieber nicht dort entlang.»
Angst hat Katerina aber nicht nur wegen des Anschlags: «Der Täter war Migrant. Ich bin auch Migrantin.» Der mutmassliche Anschlag von München, ein Messerangriff in Aschaffenburg und weitere Akte der sinnlosen Gewalt, ausgehend von Migranten, würden «viele Leute beeinflussen», sagt die junge Frau. Nachdenklich fügt sie an: «Ich denke, viele Menschen werden jetzt, kurz vor den Wahlen, deshalb rechts bis rechtsextrem wählen. Ich komme aus der Ukraine. Für mich ist das doppelt schlecht. Ich bin nervös.»
*Name bekannt