BLICK in den Trümmern von Amatrice
«Immer wieder brechen Häuser zusammen»

Unermessliches Leid und überwältigende Freude liegen im Erdbebengebiet in Italien nahe beieinander: Die Zahl der Toten liegt inzwischen bei 250. Doch immer wieder kommt es zu Lichtblicken, wenn die Retter Überlebende aus den Trümmern bergen.
Publiziert: 25.08.2016 um 15:20 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:10 Uhr
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Vor Ort: BLICK-Reporterin Myrte Müller und Fotograf Joseph Khakshouri.
Foto: Joseph Khakshouri
Myrte Müller

Italien weint. Die Fahnen an öffentlichen Gebäuden stehen auf Halbmast. 250 Todesopfer sind nach dem verheerenden Erdbeben in Mittelitalien schon zu beklagen. BLICK war heute in der am schwersten getroffenen Ortschaft Amatrice und hat mit den Helfern geredet.

«Der Schrecken, das Entsetzen und die Trauer sind hier ganz nah bei der grossen Freude, wenn man etwa ein Kind lebendig aus den Trümmern bergen kann», sagt Lorenzo Botti (51), Feuerwehrkommandant aus Rom. Der Mann kam gestern um 6 Uhr in die Katastrophenregion und sucht seither ununterbrochen nach Überlebenden.

Suchhunde helfen bei den Bergungsarbeiten

«Es ist nach wie vor hochgefährlich hier», sagt Botti. «Es gibt immer wieder Erdstösse, immer ­wieder brechen Häuser ­zusammen.»

Der Feuerwehrmann hat bereits nach dem Erdbeben im April 2009 in L'Aquila geholfen. Damals starben mehr als 300 Menschen. Die von der Katastrophe betroffene Region sei damals grösser gewesen, sagt Botti. «Doch hier in Amatrice war die Zerstörungskraft grösser.»

Der Kommandant ist unter anderem für die Bergung im Bereich des beschädigten Klosters am Dorfrand zuständig. Dort sind bereits drei Nonnen tot geborgen worden, wie er erklärt. Inswischen werde vermehrt mit Hunden gesucht.

Der Andrang von freiwilligen Helfern aus ganz Italien ist enorm. Die Menschen helfen bei der Suche nach Überlebenden, bringen Decken, Essen und Getränke.

«Habe mich gewundert, wo all die Menschen sind»

Fernando Scasciafratti (58) war einer der ersten Helfer, die nach dem Beben in Amatrice eintrafen. Der Gemeindearbeiter wohnt 35 Kilometer entfernt und war gestern schon um 5 Uhr da. «Im Dorf herrschte Grabesstille», sagt Scasciafratti. Es war unheimlich: «Ich habe mich gewundert, wo all die Menschen sind. Ich war wie gelähmt.» Ein starker Gasgeruch habe in der Luft gelegen.

Schliesslich seien allmählich einige Überlebende aufgetaucht. «Sie waren staubbedeckt und in Decken gehüllt. Einige hatten Blut im Gesicht.»

Als dem Gemeindearbeiter ein leises Wimmern zu Ohren kam, stieg er zusammen mit einem Bekannten und einem Überlebenden aus Amatrice in die Trümmer startete die Suche nach Überlebenden. Der Einsatz der Helfer lohnte sich, wie Scasciafratti dem BLICK erklärt: «Fünf Menschen haben wir lebend herausgeholt.»

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