BLICK im sächsischen Chemnitz
Verhärtete Fronten in der zerrissenen Stadt

Die Stimmung in Chemnitz ist auch knapp eine Woche nach den schweren Krawallen angespannt. Ruhe und Frieden sind nicht in Sicht: Schon heute könnte es in der sächsischen Stadt wieder zu schlimmen Szenen kommen.
Publiziert: 01.09.2018 um 01:26 Uhr
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Aktualisiert: 22.09.2018 um 17:33 Uhr
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Sein Tod war der Auslöser: Daniel H. (†35) starb Sonntagnacht durch eine Messerattacke. In Untersuchungshaft befinden sich zwei Ausländer.
Foto: Facebook/Bild
Tobias Marti, Siggi Bucher

Diese Warnung lässt die Deutschen aufhorchen: «Lassen Sie in der Umgebung von Demonstrationen Vorsicht walten, da Ausschreitungen möglich sind.» Unser Aussendepartement (EDA) warnte gestern vor Reisen ins nördliche Nachbarland. Das hat es schon lange nicht mehr gegeben.

Der Grund: die Situation in Chemnitz. Ein Iraker und ein Syrer werden verdächtigt, einen Deutschen erstochen zu haben. Nach der Tat kam es in der sächsischen Stadt zu Demos und Gewalt zwischen Rechten und linken Gegendemonstranten. Bilder von Hetzjagden auf Ausländer sorgten weltweit für Entsetzen.

Gespenstische Stille

Was ist los? In der Stadt nicht viel. Chemnitz ist eine stille Stadt. Beunruhigend still. Abends ist sie menschenleer. Es sind kaum Autos unterwegs, Fussgänger noch weniger. Man guckt hier nicht, man mustert sich gegenseitig: Kleider, Schuhe, Gesicht. Die Polizeipräsenz ist überall spürbar. Bürger und Polizisten warnen Besucher vor dem Park hinter der Stadthalle. Dort würden die Rauschgiftdealer lungern.

«Alleine traue ich mich nicht mehr in die Stadt», sagt Vanessa (20). Beim Stadtpark müsse man sich fürchten. Wegen der Ausländer, die sie anmachten. Sie denkt, dass sich die Lage in der Stadt noch verschlimmert. An die Demos der Rechten traut sie sich aber nicht. «Die Leute heizen sich gegenseitig auf.»

Flüchtlinge haben Angst

Im besagten Stadtpark tönt es anders. «Wir haben Angst», sagt Aziz (20). Er gehört zu einer Gruppe junger Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak und Syrien. Einer hat ein blaues Auge, blaue Flecken an Armen und Beinen – nach Angriffen durch Neonazis. Seit der Mordnacht wagten sie sich nicht mehr raus. «Heute treffen wir uns zum ersten Mal wieder draussen», so Aziz.

Chemnitz ist eine zerrissene Stadt. Viele Einheimische glauben Politikern und Medien kein Wort. Die eigene Bürgermeisterin wird ausgebuht, verhöhnt. Die Menschen sind beleidigt, fühlen sich schlecht dargestellt von der Presse. Man werde in die rechte Ecke gestellt. Was auffällt: Vor den Rechten warnt einen hier kaum jemand.

EDA-Warnung sorgt für Kopfschütteln

Auf die Schweizer Reisewarnung angesprochen, schütteln viele Einheimische den Kopf. «Lächerlich! Es ist ja alles ruhig hier», so Jonny (23). Er hält die Aufregung für übertrieben, aber: «Bei der Demo am Samstag sollte man vorsichtig sein.»

Heute planen die Rechtsaussen-Partei AfD und die Bewegung Pegida einen gemeinsamen Marsch. Tausende werden erwartet – auch linke Gegendemonstranten. Vorsorglich wurde das Zweitligaspiel zwischen Dynamo Dresden und dem Hamburger SV abgesagt. Die sächsische Polizei braucht alle Kräfte in Chemnitz.

«Wir haben Angst vor den Nazis»
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Asylbewerber in Chemnitz:«Wir haben Angst vor den Nazis»
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