Die Wahllokale sind geschlossen. Die Hochrechnungen laufen. Die Spannung wächst. Die ersten Wahlprognosen bestätigen den seit Wochen andauernden Trend. Die SPD liegt knapp vor der CDU oder mindestens gleichauf, gefolgt von den Grünen und der FDP.
Doch die Würfel sind noch bei weitem nicht gefallen. Egal, ob die SPD hauchdünn die CDU schlägt oder umgekehrt. Wohin Deutschland politisch marschiert, wird sich erst in den folgenden Wochen oder gar Monaten zeigen.
Denn regiert wird in Deutschland mit Bündnissen. Und da ist noch vieles drin. Die Volksparteien buhlen um die Kleinen, die die Zünglein an der Waage spielen. Die Grünen sind drittstärkste Kraft, gefolgt von der gelben FDP. Die Linke kämpft gegen die Fünf-Prozent-Hürde an.
Um diese Koalitionen wird man pokern:
Die Ampelkoalition
Bei dieser Konstellation rutscht die Union von CDU/CSU in die Opposition. Denn dann würde die SPD mit den Grünen und der FDP koalieren. Auch wenn die Liberalen stets mit einem Union-Bündnis liebäugelten, signalisierten sie in den vergangenen Wochen Kompromissbereitschaft vor allem, was die Steuerpolitik angelangt. Die Gelben wollen Steuern senken, die Roten und Grünen bei Vermögenden erhöhen.
Wahrscheinlichkeit: Sehr wahrscheinlich.
Die Jamaika-Koalition
2017 versuchte die Union schon mal ein Bündnis mit Grünen und FDP – doch nach langen Verhandlungen wurde nichts daraus. FDP-Chef Christian Lindner liess die Sondierungsgespräche überraschend platzen. Heute ist die Jamaika-Koalition bei der FDP wieder hoch im Kurs. Lindner favorisiert diese Konstellation. Und auch Armin Laschet (60), Kanzlerkandidat der CDU, liebäugelt mit «Jamaika». Doch machen die Grünen mit, wenn rechnerisch auch eine Regierung unter der inhaltlich näheren SPD möglich ist?
Wahrscheinlichkeit: Sehr wahrscheinlich.
Die Grosse Koalition
Rein rechnerisch könnten SPD und CDU/CSU genug Sitze erhalten für eine erneute Grosse Koalition, genannt Groko. Allerdings wäre die Mehrheit nun hauchdünn. Doch das «Weiter so» ist bei beiden Parteien extrem unpopulär und war im Wahlkampf weder bei der SPD noch bei der Union ein Thema. Zudem drängt sich angesichts der Hochrechnungen ein Rollentausch auf: Da die SPD vor der Union liegt, wäre diese plötzlich der Juniorpartner in der Regierung.
Wahrscheinlichkeit: Eher unwahrscheinlich.
Die Deutschland-Koalition
Das Bündnis mit SPD, Union und FDP hält FDP-Generalsekretär Volker Wissing (51) für eine interessante Option, da sie das Regieren mit den Grünen ausschliessen würde. Doch die Grünen sind der liebste Koalitionspartner des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (63). Wenn dieser trotz anderer Optionen die Grünen ausschliesst, wäre das eine Überraschung.
Wahrscheinlichkeit: Sehr gering.
Die Kenia-Koalition
Schon jetzt ist sicher: Eine Kenia-Koalition aus Union, SPD und Grünen bekäme eine satte Mehrheit. Doch da bei der SPD ein Bündnis mit der CDU unpopulär ist, hat die Kenia-Koalition keine grossen Chancen. Auch weil es angesichts der letzten Hochrechnungen so aussieht, als ob eine solche Koalition von der SPD angeführt würde – eine Kröte, welche die Union nach 16 Jahren Kanzlerschaft nur ungern schlucken wird.
Wahrscheinlichkeit: Sehr gering.