BLICK erklärt, was die Zwangsversetzung bedeutet
Wird Maassen jetzt zum Märtyrer?

Seit Tagen streitet sich die deutsche Regierung, ob der Chef des Verfassungsschutzes rausgeworfen werden soll oder nicht. Am Ende wird Hans-Georg Massen befördert. BLICK erklärt die Krise: Was hat Massen gemacht? Wer sind die Verlierer und Gewinner?
Publiziert: 19.09.2018 um 03:07 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2018 um 00:51 Uhr
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Hans-Georg Maassen muss seinen Posten als Chef des deutschen Verfassungsschutzes räumen.
Foto: KEYSTONE/EPA/CLEMENS BILAN / Clemens Bilan

Wer ist Hans-Georg Maassen?

Der 55-jährige Jurist Hans-Georg Maassen war seit August 2012 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Maassen gilt seit langem – wie Innenminister Horst Seehofer – als ein Kritiker der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zudem soll er der rechtspopulistischen AfD nahe stehen. 

Maassen soll Ratschläge gegeben haben, wie die immer weiter ins Rechtsradikale driftende AfD der Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen könne, schreibt die «Süddeutsche Zeitung». Er habe ihnen zudem brisante Informationen über Tätigkeiten des Verfassungsschutzes weitergegeben. Schon in seiner Doktorarbeit von 1997 beschrieb er hypothetische Bedrohungsszenarien, die an die Parolen der heutigen rechtspopulistischen Parteien erinnern.

Was löste den Streit um seine Person aus?

Verfassungsschutz-Chef Maassen hatte sich skeptisch zur Echtheit eines Videos geäussert, auf dem die Verfolgung von Ausländern in Chemnitz zu sehen war. (Blick berichtete) Zuvor war in der sächsischen Stadt ein 35-jähriger Deutschkubaner erstochen worden. Als dringend tatverdächtig galten zuerst drei Asylbewerber – einer von ihnen wurde unterdessen aus der Haft entlassen.

Maassen sagte, ihm lägen keine «belastbaren Informationen» vor, dass es in Chemnitz zu «Hetzjagden» auf Ausländer gekommen sei. Es gebe vielmehr gute Gründe dafür, dass es sich bei einem Video, das solche Szenen zeigt, um «eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit vom Mord in Chemnitz abzulenken». Damit widersprach er Bundeskanzlerin Angela Merkel, konkrete Beweise legte er jedoch keine vor.

Seine Aussagen und Treffen mit Vertretern der AfD sorgten deutschlandweit und international für grosse Kritik. 

Was forderten die Regierungsparteien im Fall Maassen? 

Die Personalie Maassen hatte die Koalition zwischen der Union und der SPD nach dem Asylstreit im Juni erneut an den Rand des Scheiterns gebracht. Damals stritten sich CSU-Chef Seehofer und Bundeskanzlerin Merkel über die Abweisung registrierter Flüchtlinge. Nun drohte Seehofer, er werde mit Maassen allenfalls untergehen. SPD-Chefin Andrea Nahles hingegen forderte lautstark die Absetzung Maassens und kündigte andernfalls den Austritt aus der Regierung an. Merkel hatte klar gemacht, «dass die Koalition an der Frage des Präsidenten einer nachgeordneten Behörde nicht zerbrechen wird». 

Wird Maassen jetzt zum Märtyrer?

Politbeobachter rechneten nicht damit, dass Merkel ihn vom Amt entfernen würde. Zu gross sei die Angst, dass Maassen durch die Entlassung als «Märtyrer» der Rechtsaussen-Partei AfD helfen würde. Zwar musste der 55-Jährige seinen Posten nun räumen. Zu einem Märtyrer wird er aber kaum. Denn Merkel hat ihn versetzt – und gleichzeitig befördert: Maassen wird Staatssekretär für Innere Sicherheit und Cybersicherheit im Innenministerium. 

Wer sind nun die Gewinner, wer die Verlierer?

Mit seiner Beförderung verdient Maassen nun mehr: Sein monatliches Grundgehalt steigt von 11'000 Euro auf über 14'000 Euro.

Auch für Merkel (CDU) hat der Entscheid eine positive Auswirkung: Sie hat ihren Langzeit-Kritiker aus dem Amt befördert, ohne die Koalition zum Einsturz zu bringen. Innenminister Seehofer konnte Maassen nun bei sich im Innenministerium unterbringen und ihn dabei noch befördern. 

Als Verliererin könnte SPD-Chefin Nahlens dastehen. Sie versucht zwar, den Entscheid als Erfolg zu verkaufen. Bei einer Telefonkonferenz mit Präsidiumsmitgliedern soll sie darauf beharrt haben, dass sie ihr Versprechen eingelöst habe und Maassen schliesslich künftig nicht mehr Verfassungsschutz-Chef sei, berichtet die «Bild»-Zeitung. Doch die Partei betrachtet den Personalentscheid nicht als Erfolg, sondern als krachende Niederlage. Nahlens könnte nach ihrer offensiven Attacke auf Maassen nun selbst unter Beschuss geraten.

Wie reagierten die Parteien?

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hält die Entscheidung für fragwürdig. «Da muss man auch nicht drumherum reden, das ist eine sehr bemerkenswerte Entscheidung, die Herr Seehofer getroffen hat», sagte Klingbeil am Dienstagabend im «heute journal» des ZDF. Immerhin sei in den vergangenen Tagen klargeworden, dass Maassen auch das Vertrauen von Bundeskanzlerin Angela Merkel verloren habe.

Juso-Chef Kevin Kühnert hatte zuvor erklärt: «Meine persönliche Schmerzgrenze ist erreicht.» Für die SPD sei der «Preis zu hoch für den Fortbestand der Koalition», sagte Kühnert in den ARD-«Tagesthemen». 

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner stellt wegen der ständigen Konflikte zwischen den Regierungsparteien die grosse Koalition infrage. «Der Geduldsfaden mit dieser grossen Koalition wird in der SPD extrem dünn», sagte Stegner der Deutschen Presse-Agentur. Auf Twitter schrieb er: 

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Linskfraktionschef Dietmar Bartsch erklärte, es sei zwar «gut so», dass Maassen nicht mehr das BfV führen werde. Dass dieser nun aber »faktisch befördert» werde, sei «eine Farce».

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt nannte die Entscheidung der Regierung eine «unfassbare Mauschelei». Maassens «illoyales Verhalten und Kuschelei mit der AfD» werde nun noch belohnt statt geahndet. Offenbar könne die Regierung «nicht mal mehr eine Personalie sauber lösen».

Bei der Opposition sorgte der Personalentscheid für Kopfschütteln. Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser erklärte, es gebe «nur Verlierer auf allen Seiten». Es stelle sich die Frage, «was sich ein Behördenchef erlauben darf, bevor die Bundesregierung den Schneid hat, notwendige Konsequenzen zu ziehen». Verlierer seien die Bundeskanzlerin und die SPD, denn ein Rücktritt oder eine Entlassung sei das nicht.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland dagegen attestierte Maassen, «der Bundesrepublik treu gedient» zu haben. Der «verdiente Behördenleiter» müsse gehen, weil er der Regierung «nicht genehm» gewesen sei. AfD-Co-Fraktionschefin Alice Weidel erklärte, Maassens Ablösung zeige, «wie dringend es ist, das System Merkel endlich zu überwinden». (sga/SDA)

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