«Morgen müssen wir unseren letzten Nerz töten»
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Tiere infiziert:Rund 15'000 Nerze sind an Coronavirus gestorben

BLICK besucht Züchter in Dänemark, der alle seine Tiere verliert
«Morgen müssen wir unseren letzten Nerz töten»

Weil auf dänischen Nerzfarmen eine Mutation des Coronavirus entdeckt worden ist, hat die Regierung letzte Woche die landesweite Tötung aller Zuchtnerze angeordnet. Offenbar hat sie damit gegen das Recht verstossen. Im gesamten Königreich sorgt dies nun für Unmut.
Publiziert: 13.11.2020 um 07:50 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2020 um 15:49 Uhr
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Nerzzüchter Niels Kristensen ist wütend. Auf seiner Familienfarm müssen alle Tiere getötet werden.
Foto: Lea Ernst
Lea Ernst

Die letzte Woche von der Regierung veranlasste Massentötung aller Nerze auf dänischen Pelzfarmen sorgt zunehmend für Verwirrung und Unmut. Die Nerz-Situation ist zu einem Polit-Skandal eskaliert: «Wir haben einen Fehler begangen», gestand der verantwortliche Nahrungsmittelminister Mogens Jensen. Weil die Mutation für die Bekämpfung des Coronavirus gefährlich sein könnte, werden landesweit alle Nerze getötet, auch wenn sie nicht an Corona erkrankt sind. Doch für die Tötung von gesunden Pelztieren ausserhalb bestimmter Risikozonen gibt es gar keine rechtliche Grundlage. Man habe es versäumt, die Gesetzeslage im Detail abzuklären, sagt Jensen. Die Opposition fordert deshalb seinen Rücktritt. Premierministerin Mette Frederiksen lässt den hohen Norden Jütlands für weitere drei Wochen abriegeln, um eine mögliche Ausbreitung der neuen Mutation zu verhindern.

In einem Brief entschuldigte sich die Regierung bei den Nerzzüchtern für die Missverständnisse. Die insgesamt 17 Millionen Nerze sollen aber trotzdem getötet werden, auch wenn sie gesund sind. So auch die Tiere des Nerzzüchters Niels Kristensen (32), den BLICK auf seiner Farm in Brørup im südlichen Jütland besucht hat. Kristensen ist wütend, weil die Nerzbranche überhaupt nicht in die Entscheidung mit einbezogen wurde. Es sei die schlimmste Woche überhaupt gewesen. «Morgen werden wir unseren letzten Nerz töten müssen.»

Züchter verlieren alles

Die Nerzfarm der Kristensen ist ein Familienunternehmen – seit über 30 Jahren werden Nerze gezüchtet. Und ungefähr 80 Prozent davon jährlich getötet. Dass nun jedoch alle Tiere sterben sollen, trifft die Familie hart. 32 Jahre Zuchterfolg sind für immer verloren. Die Regierung möchte die Zucht nicht verbieten, nur für zwei Jahre pausieren. Doch ohne genetischen Zuchtstamm macht ein Neuanfang wenig Sinn. Zumal auch die Nerzfutter-Branche und die Häutungsbranche eingehen werden. Wie hoch die Entschädigung aussehen wird, weiss niemand.

Auch ausserhalb des Parlaments und der Zuchtbetriebe sorgt das Thema für Kopfschütteln. «Die Haltungsbedingungen auf den Nerzzuchten gefallen mir nicht», sagt Marie S. aus dem nördlichen Aalborg. «Aber das haben die Züchter nicht verdient. So viele Tiere werden getötet, ohne dass ihr Fell überhaupt verarbeitet wird.» Die Ladenbesitzerin Suzan D., ebenfalls aus Aalborg, empfindet die Massnahmen als ungerechtfertigt: «Die Mutation wurde zum letzten Mal vor einigen Wochen gesichtet. Man hätte noch abwarten sollen.» Auch im Süden Dänemarks ist der Nerz-Skandal Thema Nummer eins. Ilse H., Krankenschwester aus Vejle, sagt: «Auch während Corona müssen die Gesetze eingehalten werden. Besonders von unserer eigenen Regierung.»

Lesen Sie die grosse Reportage aus einer Nerzfarm in Dänemark im SonntagsBlick.

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