BLICK besucht die Flüchtlinge an der US-Grenze
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BLICK an der US-Grenze:BLICK besucht die Flüchtlinge an der US-Grenze

BLICK besucht die Flüchtlinge an der US-Grenze
«Dann sollen sie mich doch umbringen»

Donald Trump drohte ihnen mit Schüssen, spricht von einem «Angriff auf unser Land»: Der Präsident machte den Flüchtlingsstrom an der Grenze zum Hauptthema im Wahlkampf. Jetzt haben etwa 2000 Mittelamerikaner die US-Grenze erreicht. BLICK hat die Flüchtlinge besucht.
Publiziert: 16.11.2018 um 15:11 Uhr
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Aktualisiert: 04.12.2018 um 18:43 Uhr
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BLICK besuchte die Flüchtlinge von Mittelamerika kurz vor ihrem Ziel: den USA.
Foto: Nicola Imfeld
Nicola Imfeld, Tijuana (Mexiko)

Tijuana, Mexiko, hundert Meter von der US-Grenze entfernt: Im Schatten der Bäume klettert ein Mann auf eine kniehohe Mauer. «Information, Information», ruft er einer Gruppe von Migranten zu, die neben der Strasse auf einem kleinen Platz sitzen.

Juan Rodrigo, einer der Anführer der sogenannten Migranten-Karawane, die seit Wochen weltweit in den Schlagzeilen steht, ist am Dienstag mit der ersten Gruppe an der Grenze zur USA angekommen. «Tragt eure Namen in die Liste ein, damit ihr bei den US-Behörden Asyl beantragen könnt», sagt er und deutet auf eine Frau, die zehn Meter entfernt mit einem Papierbogen auf dem Boden sitzt. «Bildet eine Schlange. Und nicht drängeln!»

Am Strand Tijuanas sind seit Mittwoch rund 1500 Migranten angekommen. Sie sitzen auf einer Erhebung, nur wenige Meter vom Meer entfernt – zwischen Polizeiautos und Restaurants. Vor ihnen erhebt sich der Grenzzaun, der sie von ihrem «American Dream» trennt. Immer wieder begeben sich junge Männer runter zum Strand und klettern auf die Mauer, die bis ins Meer hinausgeht. Auf der anderen Seite patrouillieren bewaffnete US-Soldaten und Grenzpolizisten auf Pferden. Es ist still. Nur das Flötenspiel eines Flüchtlings übertönt die Geräusche des Meeres.

«Trump ist ein Rassist»

Für Gespräche hatten die Migranten in den vergangenen Wochen ausreichend Zeit. Mehrere Tausend Kilometer haben sie seit Mitte Oktober zurückgelegt. Zu Fuss und per Autostopp. Stets unter der Beobachtung von US-Präsident Donald Trump, der die Flüchtlinge aus Guatemala, El Salvador und Honduras via Twitter zu einem zentralen Wahlkampfthema gemacht hat. Von einer «Invasion» und einem «Angriff auf unser Land» warnte Trump seine Anhänger. Er schickte über 5000 Soldaten an die Grenze. Wenn Steine fliegen würden, solle das Militär mit Schüssen antworten, liess der Präsident kurz vor den Halbzeitwahlen durchblicken. Sein Credo: Kein Erbarmen mit den «kriminellen jungen Männern», die ihr Heimatland im Stich lassen. 

Zur Gruppe gehören Mütter mit Kinderwagen, Alte mit Gehstock, Teenager, junge Männer, junge Frauen. «Wir lassen unsere Länder nicht im Stich, wir fliehen vor Gewalt und Armut», betont Carlos Alberto aus Guatemala. Er hat von der Karawane über soziale Netzwerke erfahren und will seinem zwölfjährigen Sohn eine bessere Zukunft bieten. Trumps Ängste kann Alberto ein Stück weit nachvollziehen, er versichert ihm aber: «Wir sind nicht kriminell, wir wollen nur ein Leben in Sicherheit führen.»

Auffällig viele der Migranten sind Mitglieder der LGBT-Community – Schwule, Lesben, Transsexuelle. «Wir werden zu Hause diskriminiert. Die Polizei bereitet uns Probleme, die Politik hört unsere Anliegen nicht. Wir haben nicht die gleichen Rechte», sagt Eduardo Rafael Guerrero aus El Salvador. Er erwartet auf der anderen Seite des Grenzzauns keinen «American Dream», anders wie viele andere Flüchtlinge. «Ich höre nicht viel Gutes. Donald Trump ist ein Rassist, viele Menschen in den USA sind rassistisch. Wir werden auch dort Probleme haben. Aber wir werden kämpfen.» 

Asyl beantragen oder die Grenze stürmen?

Doch noch wollen die Migranten nicht in die USA. Sie haben sich abgesprochen: Man wartet auf die Ankunft der weiteren Gruppen, um gemeinsam das weitere Vorgehen zu beschliessen, so der Tenor. Insgesamt rund 5000 Flüchtlinge werden bis am Sonntag an der Grenze in Tijuana zu San Diego (USA) erwartet. Worüber Uneinigkeit herrscht: Wie sie auf die andere Seite des Grenzzauns kommen sollen. Die Mehrheit der LGBT-Community möchte Asyl beantragen. Doch bis sie einen Termin mit den US-Behörden bekommen, könnten Monate verstreichen.

Johan Lopez aus Guatemala hat andere Pläne. Er sagt: «Wir warten, damit wir alle zusammen und zum selben Zeitpunkt über den Zaun klettern können.» Asyl beantragen möchte er nicht. Er glaubt nicht an seine Chancen unter der Trump-Regierung. Vor angedrohten Schüssen schreckt er nicht zurück: «Dann sollen sie mich doch umbringen.» 

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