Das israelische Militär hat am Montag die Einwohner von Rafah im Süden des Gazastreifens aufgerufen, die Stadt zu verlassen und im Al-Mawasi-Flüchtlingslager Schutz zu suchen. Das deutet auf einen schweren militärischen Einsatz auf die an der Grenze zu Ägypten gelegene Stadt hin. Daran wird auch das Angebot der Hamas für einen Waffenstillstand in letzter Minute nichts mehr ändern.
Wie lang wird der Angriff auf Rafah dauern?
Überraschend hat die Hamas am Montagabend wegen der am Montagmorgen angekündigten Stürmung der Stadt Rafah einen Waffenstillstand angeboten. Doch Israel lässt sich nicht darauf ein. Kurz nach 21 Uhr Schweizer Zeit hat die israelische Armee (IDF) zur Offensive auf die Stadt geblasen. Auf X teilte das Militär mit: «Die IDF-Kräfte greifen nun gezielt Ziele der Terrororganisation Hamas in Mizrah Rafah an und operieren gegen diese.»
Ein namentlich nicht genanntes Kabinettsmitglied sprach von einem Täuschungsmanöver der Hamas, um Israel als Verweigerer darzustellen. Insider Arye Sharuz Shalicar (46), Schriftsteller, Podcaster und bis Ende April Sprecher der israelischen Armee IDF, sagte am Montagabend gegenüber Blick: «Vermutlich hat unser Evakuierungsaufruf die Terrorvereinigung Hamas dazu bewegt, irgend etwas zu sagen, um Zeit zu gewinnen. Sie spielen ja schon seit Monaten.»
Der Angriff dürfte laut Beobachtern rund sechs Wochen dauern. Zuerst aber will Israel der Zivilbevölkerung Zeit geben, das Gebiet zu verlassen. Der Angriff wird seit langem vorbereitet. Im April waren israelische Geheimdienst- und Militärmitarbeiter mit ägyptischen Kollegen zusammengesessen, um den Angriff zu besprechen.
Wird Israel den Gazastreifen besetzt halten?
Rafah ist die südlichste Stadt im Streifen, den die Israelis von Norden her gestürmt hatten. Laut Arye Sharuz Shalicar hat Israel kein Interesse daran, den Gazastreifen zu besetzen. «Wir wollen aber garantieren, dass sich ein Massaker auf Israel wie am 7. Oktober 2023 nicht wiederholt, und die Terrororganisation Hamas in die Knie zwingen», sagt Shalicar gegenüber Blick.
Die israelische Botschaft in Bern schreibt gegenüber Blick auf Anfrage: «Der Gazastreifen sollte am Tag nach der Geiselfreilassung entmilitarisiert und entradikalisiert werden, damit er nicht länger als Quelle des Terrorismus und der Bedrohung für seine Nachbarn dienen kann.»
Will Israel auch in den Libanon eindringen?
Israel wird nicht nur aus dem Gazastreifen angegriffen, sondern auch aus Syrien, dem Jemen, dem Iran, dem Irak und besonders von der Hisbollah aus dem Libanon. Innerhalb von sieben Monaten mussten wegen der Hisbollah-Angriffe über 60'000 Israelis im Norden des Landes evakuiert werden.
Ex-Armeesprecher Shalicar geht davon aus, dass Israel bei weiterem Beschuss in den Süden des Libanons eindringen wird, um die Angreifer hinter den Fluss Litani zurückzudrängen. Der Uno-Sicherheitsrat hatte 2006 in einer Resolution entschieden, dass sich südlich dieses Flusses im Libanon keine paramilitärischen Truppen aufhalten dürften.
Wie viele Geiseln sind noch in der Hand der Hamas?
Die Hamas hatte am 7. Oktober 2023 rund 1200 Menschen in Israel getötet und rund 250 verschleppt. Israel geht davon aus, dass noch 132 Geiseln in den Händen der Hamas sind. Unter ihnen sind laut der israelischen Botschaft 19 Frauen, ein Kleinkind und ein Kind, zehn sind über 75 Jahre alt und elf besitzen ausländische Staatsbürgerschaften.
Wie verhindern die Israelis ein Massaker an der Zivilbevölkerung?
Das israelische Militär rief die Einwohner des östlichen Teils der Stadt an der Grenze zu Ägypten am Montag dazu auf, sich in das einige Kilometer nördlich gelegene Al-Mawasi-Lager am Mittelmeer zu begeben. Dessen Sicherheitszone ist deswegen erweitert worden. Betroffen sind schätzungsweise 100'000 Menschen. Sie wurden per SMS, Telefon sowie mit Flugblättern und über arabischsprachige Medien informiert.
Die israelische Botschaft betont: «Israel hält sich an das Völkerrecht und unternimmt alle Anstrengungen, um den Schaden für unbeteiligte Zivilisten zu verringern, die leider immer noch zusammen mit der zivilen Infrastruktur von der Hamas als menschliche Schutzschilde benutzt werden.»
Wird sich der Iran wieder mit Raketen rächen?
Wegen der Gaza-Offensive hat der Iran am 13. April über 300 Raketen und Drohnen Richtung Israel abgeschossen, von denen aber die meisten abgewehrt werden konnten. Im Moment rechnet Shalicar mit keinen weiteren Schlägen. Doch er warnt: «Der Iran ist der Kopf der Schlange. Man muss ihn im Auge behalten.»