Kämpfe in Syrien gehen trotz Waffenruhe weiter
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Nach USA-Türkei-Deal:Kämpfe in Syrien gehen trotz Waffenruhe weiter

BLICK beantwortet die grossen Fragen zur Eskalation in Syrien
Muss Trump bald mit Erdogan kämpfen?

Der US-Präsident wollte Soldaten aus Syrien abziehen. Doch sein fataler Entscheid könnte ihm selbst auf die Füsse fallen.
Publiziert: 15.10.2019 um 08:10 Uhr
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Aktualisiert: 15.10.2019 um 15:41 Uhr
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US-Präsident Donald Trump hat sich möglicherweise in einen gigantischen Konflikt geritten.
Foto: keystone-sda.ch
Fabienne Kinzelmann, Myrte Müller

Donald Trump (73) hat sich verzockt. Bereits im letzten Jahr plante der US-Präsident, die amerikanischen Truppen komplett aus Syrien abzuziehen. Vor rund einer Woche pfiff er auf Bitten Erdogans (65) amerikanische Soldaten aus Nordsyrien zurück. Doch wenn er Pech hat, muss er bald wieder mehr Truppen in den umkämpften Staat schicken.

Warum könnte Trumps Syrien-Entscheid zum Bumerang werden?

Zum einen, weil der IS wieder erstarken könnte – zum anderen, weil durch Erdogans Militäroffensive in Nordsyrien ein militärischer Konflikt zwischen dem Assad-Regime und der Türkei droht. Und dann könnte es sein, dass die USA Erdogan beistehen müssen. Das jedenfalls befürchtet der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn (70). Die Türkei ist als Nato-Mitglied mit den USA und anderen Staaten über einen Beistandspakt verbunden. Asselborn warnt vor dem Bündnisfall nach Artikel 5 des Gründungsvertrags.

Was ist ein Bündnisfall?

Angriffe auf Gebiete eines Mitgliedlandes oder auch Angriffe durch Terroristen können als Bündnisfall geltend gemacht werden. Das ist bisher ein einziges Mal passiert: nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Der Nordatlantikrat stellte damals den Bündnisfall wegen eines ausländischen Anschlags auf die Vereinigten Staaten fest. Das Taliban-Regime in Afghanistan wurde als Schutzmacht der Terroristen identifiziert und daraufhin angegriffen. 

Müssten die USA mit Erdogan kämpfen?

Wenn die Türkei den Bündnisfall ausruft, müssten die 29 Nato-Staaten einstimmig über einen Einsatz abstimmen. Mit welchen Mitteln der Mitgliedstaat den Bündnisstaat unterstützt, ist ihm allerdings selbst überlassen.

Greift Assad wirklich Erdogan an?

Syrische Regierungstruppen haben in Kurdengebieten nahe der Grenze zur Türkei bereits Stellung bezogen, um sich der laufenden türkischen Militäroffensive entgegenzustellen. Sie kommen auf Einladung der syrischen Kurden: Die westlichen Verbündeten im Kampf gegen den IS fühlen sich von den USA im Stich gelassen. Weil Erdogan erbarmungslos bombt, suchen sie Schutz beim syrischen Diktator. 

Worum geht es Erdogan überhaupt?

Der türkische Machthaber will auf dem von Kurden kontrollierten Gebiet einen «Sicherheitspuffer» einrichten: 500 Kilometer lang, 30 Kilometer ins Landesinnere. Tatsächlich geht es ihm um eine ethnische Säuberung: Die syrischen Kurden zählt er zum verlängerten Arm der kurdischen PKK, die er im eigenen Land bitter bekämpft. Auf ihrem Gebiet will er stattdessen arabische Flüchtlinge ansiedeln, die aktuell in der Türkei leben.

Wie dramatisch ist die Situation für die Kurden?

Die seit Mittwoch laufende Offensive forderte bereits mindestens 26 zivile Opfer. Mehr als 100 Kämpfer auf beiden Seiten sind tot, 100'000 Menschen auf der Flucht. «Es droht eine humanitäre Katastrophe», sorgt sich der Journalist Sirwan Berko (42). Der Mitgründer des syrischen Radiosenders Arta FM ist gerade in Bochum (D), verfolgt die Eskalation aus der Ferne. Seine grösste Sorge: ein langer Kampf mit Erdogan um Kobane. «Die Kurden werden ihre Stadt erbittert verteidigen. Und Truppen des Assad-Regimes sind schon auf dem Weg dorthin», berichtet Berko, «wir stellen uns auf einen langen Krieg ein.»

Wird Erdogan von islamischen Söldnern unterstützt?

Offiziell ist die 90'000 Mann starke Nationale Syrische Armee der syrischen Exilregierung unterstellt, doch längst kann Erdogan die Truppen steuern. Sirwan Berko warnt: «Unter ihnen sind ehemalige Al-Kaida-Kämpfer und sogar Krieger des IS. Eine sehr gefährliche Situation.» Die Türkei stattet die Soldaten, die aus verschiedenen Rebellenmilizen stammen, auch finanziell, mit Waffen und Trainings aus. 

Was ist mit den IS-Gefangenen im Kurdengebiet?

Offenbar können die Kurden auch die Bewachung gefangener Dschihadisten nicht sicherstellen. Die kurdischen Soldatinnen (für das Camp mit inhaftierten Frauen und Kindern sind weibliche Truppenteile der kurdischen Miliz zuständig) werden vermehrt an der Front gebraucht. Eine Schweizer IS-Frau, mit welcher Journalisten des SRF in Kontakt stehen, hat eine alarmierende Nachricht: «Es sind nicht mehr viele Wachen, welche das Camp bewachen.» Von den 12'000 IS-Gefangenen konnten sich am Wochenende laut Berichten bereits mehr als 800 befreien.

Wie reagierte Trump auf die Lage in Syrien?

Er teilte in alle Richtungen aus. Die syrischen Kurden bezeichnete er als Erpresser. Sie hätten absichtlich Dschihadisten freigelassen, «um uns in den Krieg zu ziehen». In Richtung Europa kritisierte er, dass die europäischen Staaten gefangene Kämpfer aus ihren Ländern nicht aufgenommen hätten. Der Türkei drohte er ausserdem mit Sanktionen.

Was passiert mit den Schweizer IS-Gefangenen?

Die Kurden halten mehrere Schweizer gefangen – IS-Kämpfer, ihre Frauen sowie Kinder. Ob einige davon ebenfalls fliehen konnten, ist bislang nicht bekannt. Noch immer ungeklärt ist, ob die Schweiz inhaftierte Landsleute zurückschafft – insbesondere IS-Frauen und ihre Kinder. Laut SRF-Recherchen will der Bundesrat morgen erneut darüber beraten.

Krieg in Syrien

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
KEYSTONE/AP/STR

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

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