Besuch bei Architekt Peter Schmid in Bhutan
Der Donnerdrache aus Zürich

Auf diesen Mann baut Bhutan: Architekt Peter Schmid hat sein Glück im Himalaya gefunden.
Publiziert: 17.04.2016 um 17:09 Uhr
|
Aktualisiert: 10.09.2018 um 23:10 Uhr
1/10
Besuch bei Peter Schmid in Thimphu.
Foto: Kaye Anthon
Kaye Anthon aus Thimphu (Text und Fotos)

«Dieses Haus ist mein Baby, diese Schule auch – und dieses Kloster hier auch», erzählt Peter Schmid (57) auf unserer Fahrt durch Thimphu, die Hauptstadt des sagenhaften Königreichs Bhutan.

Der Architekt aus Hinwil ZH nennt sie liebevoll «Babys» – all die Gebäude, die er in 23 Jahren in Bhutan erschaffen hat. Das erste im Auftrag des Schweizer Hilfswerks «Helvetas»  – mehr als 200 sind seitdem hinzu gekommen.

Peter Schmid trägt den Bhutanischen Pass - eine Ehre, vom König verliehen

Als Dank machte der König, Jigme Khesar Namgyel Wangchuck (35), den Schweizer 2010 zum «Donnerdrachen». Das ist der umgangssprachliche Name für Bhutan und die Einheimischen. Der bhutanesische Pass für einen Ausländer – eine ganz seltene Ehre! Nur sieben Ausländer tragen diesen Pass – auf 750 000 Einwohner. Damit ist Bhutan sicher das Land mit der wohl tiefsten Einbürgerungsquote der Welt!

Peter Schmid lacht: «Ich habe jetzt sogar einen bhutanesischen Namen: Kunsang Wangchuck. Aber im Herzen bleibe ich natürlich Schweizer!“ Einer mit einigen Freiheiten: Als Einheimischer kann Schmid in dem Land, das etwa so gross wie die Schweiz ist und an Tibet und Indien grenzt, nun ungehindert umherreisen. Touristen brauchen die ständige Begleitung eines Guides. Bhutan hat nichts zu verstecken, aber Angst, etwas zu verlieren – vom Glück, unter dem Dach der Welt im Himalaya zu leben.

Die Flexibilität fehlt manchmal

«Bhutan will sich zwar modernisieren, hält aber sehr an Traditionen fest», erzählt Schmid. Ein Beispiel? Neue Heizungs-Technologien. «Wenn ich mit neuen Ideen kam, hiess es immer: Wir haben das immer so gemacht!» Der Architekt redet sich fast in Rage: «Wenn man sich 50 Jahre den Hintern abgefroren hat, kann man doch Neues probieren! Diese Flexibilität fehlt manchmal.» Kunsang Wangchuck hat sich aber mit den Verhältnissen arrangiert: «Und auch, wenn die lokalen Arbeiter unpünktlich sind – meine Schweizer Zuverlässigkeit bleibt.» Da ist der 57-Jährige heute noch mehr Schmid als Wangchuck.

Peter Schmid, ein Kerl, gross und breit wie ein Bär, will anderen nichts vorschreiben – und lässt sich selbst nichts vorschreiben. Das nennt man Glück. Glück ist so etwas wie die nationale Währung in Bhutan. Hier wird nicht das Brutto-Nationaleinkommen bewertet wie in Industrieländern, sondern das Brutto-Nationalglück (Gross National Happiness, kurz GNH). Glück ist für Schmid, mit seinem Töff, über die Himalaya-Pässe zu knattern – und da oben, ganz nahe am Himmel, eine Zigarette anzuzünden. Rauchen ist in Bhutan eigentlich verboten. Nicht weil es ungesund ist, sondern weil es unglücklich macht. Schmid raucht trotzdem – das ist sein Netto-Glück, ohne jeden Abzug.

«Etwa sieben Mal wurde ich mit dem Tod bedroht»

Peter Schmid nennt Bhutan «meine Psychologin». Weil er auch viel Unglück gesehen hat in den vergangenen Jahren. Als Architekt für das IKRK, die UNESCO und das Departement des Äusseren hat er an Orten gebaut, an denen das Unglück Alltag ist: Irak, Sudan, Sri Lanka, Nicaragua. «Etwa sieben Mal wurde ich mit dem Tod bedroht, in Sri Lanka habe ich nach dem Tsunami aufgedunsene Kinderleichen gesehen.» Mehr will Peter Schmid davon nicht erzählen, zu grauenvoll wären wohl die Details. Übermannt ihn alles, flieht er nach Bhutan, zu seiner Frau Sonam Wangmo. Und baut weiter Klöster, Häuser, Schulen – alles im traditionellen Bhutanesischen Stil. Einfach mit Schweizer Handwerkskunst.

Der Architekt steigt auf seinen Töff, er will zum Bogenschiessen. Vor 20 Jahren waren er sogar im Final der Landesmeisterschaften der Bogenschützen. Und das als «Cilib», als Ausländer! Wie macht der Mann das bloss? «Wenn dein Geist und dein Körper eins sind mit dem Bogen und dem Pfeil – dann triffst du auch mit geschlossenen Augen.»

Mit dem Herzen sehen zu können. Das ist wohl Glück.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?