«Beispielloser Fall»
Zwei neue Welterbestätten für Deutschland

Deutschland erhält zwei neue Welterbestätten. Zum ersten Mal zeichnete die Unesco jüdisches Kulturgut in Deutschland aus, indem die begehrte Auszeichnung an die sogenannten Schum-Stätten Mainz, Worms und Speyer als eine Wiege des europäischen Judentums ging.
Publiziert: 27.07.2021 um 16:48 Uhr
Die Synagoge «Beith Shalom» in Speyer. Die Unesco hat das jüdische Kulturgut in den sogenannten Schum-Stätten Mainz, Worms und Speyer als neues Welterbe ausgezeichnet. Auch der Niedergermanische Limes als Teil der Grenze des antiken Römischen Reiches wurde erhielt diese Auszeichnung. Foto: Uwe Anspach/dpa
Foto: UWE ANSPACH

Auch der Niedergermanische Limes als Teil der Grenze des antiken Römischen Reiches wurde als neues Welterbe eingestuft. Das zuständige Komitee der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) traf die Entscheidungen überraschend noch am Dienstag auf seiner Sitzung im chinesischen Fuzhou.

Nach der Auszeichnung der Kurorte Baden-Baden, Bad Ems und Bad Kissingen gemeinsam mit acht anderen europäischen Bädern sowie der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt am Wochenende kann sich Deutschland auf der laufenden Sitzung mit insgesamt vier neuen Welterbetiteln schmücken. Als Welterbe werden nur Kultur- und Naturstätten von «herausragendem universellen Wert» ausgezeichnet.

Die Schum-Stätten Mainz, Worms und Speyer in Rheinland-Pfalz sind Orte des jüdischen Mittelalters und werden auch «Jerusalem am Rhein» genannt. Schum ist eine Abkürzung aus den mittelalterlichen hebräischen Anfangsbuchstaben der Städte. In Mainz gehört der Alte Friedhof zum Erbe des jüdischen Volkes. Rund 1000 Jahre nach den ersten Beisetzungen sind noch viele historische Grabsteine zu finden. Auch in Worms gibt es einen jüdischen Friedhof, zudem ein Viertel mit Synagoge, Ritualbad (Mikwe) und Museum. Speyer hatte ein ähnlich reiches jüdisches Gemeindeleben.

Nachdem die Diskussion über den Donaulimes als Teil der Grenze des Römischen Reiches am Vortag aus Verfahrensgründen einer Arbeitsgruppe übertragen werden musste, lief die Auszeichnung des Niedergermanischen Limes hingegen reibungslos. Im Rahmen des seriellen Welterbes «Grenzen des Römischen Reiches» sind beide Abschnitte einzeln nominiert. Der rund 400 Kilometer lange Niedergermanische Limes mit seinen Kastellen und Legionslagern läuft entlang des Rheines. Man spricht dort auch vom «nassen Limes».

Antragsteller sind die Anlieger: Die Niederlande sowie die deutschen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Der Grenzabschnitt beginnt in Rheinbrohl in Rheinland-Pfalz und endet an der Nordsee in den Niederlanden. In NRW liegen 220 Kilometer zwischen Bonn und Kleve. Die Grenzregion war ein Zentrum antiker Kultur und der Beginn der Städte im Rheinland. Zu römischen Spuren gehören Militäranlagen, Heiligtümer, Statuen und Alltagsgegenstände.

«Entlang des Rheins entwickelten die Römer Kastelle und Siedlungen, aus denen grosse Städte wie Köln, Bonn und Nijmegen erwachsen sollten», sagte die Präsidentin der Deutschen Unesco-Kommission, Maria Böhmer. «Ihr Aufblühen verdanken sie der Tatsache, dass der Limes nicht der Abschottung, sondern immer auch dem Austausch zwischen Rom und seinen Nachbarn diente.»

Die Aufnahme des Niedergermanischen Limes ins Weltkulturerbe soll eine Lücke zwischen zwei bereits geschützten Abschnitten schliessen - dem Obergermanisch-Raetischen Limes sowie dem Hadrianswall und einem weiteren in Grossbritannien. Mit einer Entscheidung über den Donaulimes kann möglicherweise am Freitag gerechnet werden.

Da Ungarn kurzfristig aus dem gemeinsamen Antrag mit Deutschland, Österreich und der Slowakei ausgestiegen war, stand die Unesco vor einem «beispiellosen Fall». Der Internationale Rat für Denkmalpflege (Icomos) wies darauf hin, dass ohne Ungarn rund 400 Kilometer des Donaulimes und damit mehr als die Hälfte der Grenze aus dem Antrag herausgenommen worden seien.

Das Welterbekomitee tagt noch bis Samstag online und vor Ort. Es setzt sich aus 21 gewählten Vertragsstaaten der Welterbekonvention zusammen. Es entscheidet in der Regel jährlich über die Einschreibung neuer Kultur- und Naturstätten in die Welterbeliste und befasst sich mit dem Zustand eingeschriebener Stätten. Wegen der Pandemie war die Tagung im vergangenen Jahr verschoben worden. Auf der Welterbeliste stehen mehr als 1100 Kultur- und Naturstätten in 167 Ländern. 51 davon gelten als bedroht. Deutschland hat jetzt 50 Welterbestätten.

(SDA)

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