Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zur Verteidigung der Demokratie gegen Hass, Gewalt und Falschinformationen aufgerufen. Überall da, wo wissenschaftliche Erkenntnis geleugnet, Verschwörungstheorien und Hetze verbreitet würden, müsse Widerspruch laut werden, sagte sie am Donnerstagabend bei einem Grossen Zapfenstreich zu ihren Ehren im Bendler-Block in Berlin. «Unsere Demokratie lebt auch davon, dass überall da, wo Hass und Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen erachtet werden, unsere Toleranz als Demokratinnen und Demokraten ihre Grenze finden muss.»
Mit dem Grossen Zapfenstreich verabschiedete sich die Bundeswehr von der CDU-Politikerin nach 16 Jahren im Amt. Die Zeremonie ist die höchste Würdigung der Streitkräfte und vor allem Bundespräsidenten, Kanzlern und Verteidigungsministern vorbehalten. Zuletzt hatte es vor dem Reichstagsgebäude einen Grossen Zapfenstreich zur Beendigung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr gegeben.
Merkel wünscht sich Nina Hagen
Wie alle auf diesem Weg Geehrte durfte sich Merkel drei Musikstücke aussuchen. Sie wünschte sich vom Stabsmusikkorps das Kirchenlied «Grosser Gott, wir loben Dich», den Chanson «Für mich solls rote Rosen regnen» von Hildegard Knef sowie den Schlager «Du hast den Farbfilm vergessen» von Nina Hagen. Die Punk-Sängerin hatte damit 1974 einen Hit in der DDR. Merkel studierte damals in Leipzig Physik.
Merkel verfolgte den Grossen Zapfenstreich im Sitzen und sichtlich gerührt. Coronabedingt konnten daran wesentlich weniger Gäste teilnehmen als üblich. Unter den Teilnehmern waren Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der designierte künftige Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD). Ihm und seiner Regierung wünschte Merkel in ihrer Rede vor Beginn der eigentlichen Zeremonie «alles, alles Gute und eine glückliche Hand und viel Erfolg».
«Die 16 Jahre haben mich gefordert»
Die Kanzlerin betonte: «Die 16 Jahre als Bundeskanzlerin waren ereignisreiche und oft sehr herausfordernde Jahre. Sie haben mich politisch und menschlich gefordert. Und zugleich haben sie mich immer auch erfüllt.»
Merkel erinnerte unter anderem an die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und an die Flüchtlingskrise 2015. Schon diese hätten deutlich gemacht, wie sehr man auf die internationale Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg angewiesen sei. «Wie unverzichtbar internationale Institutionen und multilaterale Instrumente sind, um die grossen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen zu können - den Klimawandel, die Digitalisierung, Flucht und Migration.»
«Höchste Anerkennung für Ärzte und Pfleger»
«Ich möchte dazu ermutigen, auch zukünftig die Welt immer auch mit den Augen des Anderen zu sehen, also auch die manchmal unbequemen und gegensätzlichen Perspektiven des Gegenüber wahrzunehmen, sich für den Ausgleich der Interessen einzusetzen», sagte Merkel weiter. Zugleich zeigte sie sich «überzeugt, dass wir die Zukunft auch weiterhin dann gut gestalten können, wenn wir uns nicht mit Missmut, mit Missgunst, mit Pessimismus, sondern (...) mit Fröhlichkeit im Herzen an die Arbeit machen.» So habe sie selbst es immer gehalten.
Merkel dankte auch ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie ihrer Familie für die Unterstützung in den Jahren ihrer Kanzlerschaft. Sie erinnerte zudem an diejenigen, die sich im selben Moment «mit all ihrer Kraft der vierten Welle der Pandemie entgegenstemmen». Merkel nannte Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte, Impfteams und Helfer der Bundeswehr und der Hilfsorganisationen. «Ihnen allen gebühren mein und unser aller besonderer Dank und höchste Anerkennung.» (SDA)