Er kam als Hoffnungsträger, doch nun muss der kanadische Premierminister Justin Trudeau (47) bei den heutigen Parlamentswahlen mit der Abwahl rechnen. Der Saubermann, der auch «der Kennedy Kanadas» und «Anti-Trump» genannt wird, hat sich einiges geleistet, das bei seinen Landsleuten schlecht ankommt.
Im Frühling war bekannt geworden, dass er seine damalige Justizministerin unter Druck gesetzt haben soll, um einen Korruptionsprozess gegen einen grossen Baukonzern zu verhindern. Der liberale Premier bat erst um Entschuldigung, als ihn im August die Ethik-Kommission für sein Verhalten rügte. Trudeaus Reaktion: «Das hätte nicht passieren dürfen. Ich übernehme die Verantwortung für diesen Fehler. Aber ich kann mich nicht dafür entschuldigen, dass ich kanadische Jobs geschützt habe.» Aus Protest traten darauf zwei Ministerinnen zurück.
Geschwärztes Gesicht
Zudem tauchten wenigen Wochen vor den Wahlen fast 20 Jahre alte Fotos auf, die Trudeau an einer Fasnachtsparty mit Aladdin-Kostüm und einem schwarz geschminkten Gesicht zeigen. Die Kanadier nehmen Trudeau dieses «Blackfacing» sehr übel. Auch hier bat der Premier um Vergebung: «Ich bedauere das sehr. Das Gesicht dunkel zu schminken, ist – egal in welchem Zusammenhang – nicht akzeptabel.»
Es kam allerdings ans Licht, dass Trudeau sich das Gesicht mehr als einmal gefärbt hatte. Für US-Präsident Donald Trump (73) ist diese Kritik am liberalen Trudeau eine Genugtuung. Auf die Blackface-Affäre angesprochen, sagte Trump nur: «Ich bin überrascht, und ich bin noch mehr überrascht darüber, wie oft er es gemacht hat.»
Konkurrent nennt Trudeau «Schwindler»
Dieses Verhalten von Trudeau ist für seinen Herausforderer, den konservativen Andrew Scheer (40), eine Steilvorlage. Bei Umfragen liegen die beiden Konkurrenten gleichauf, abgeschlagen folgen die Sozialdemokraten. Scheer griff bei Wahlveranstaltungen Trudeau scharf an: «Herr Trudeau, Sie sind ein Schwindler. Sie sind ein Betrüger, und Sie haben es nicht verdient, dieses Land zu regieren.»
Scheer buhlt um die Gunst der Wähler, indem er die Angst vor steigenden Preisen zum Thema macht. «Die CO2-Steuer hat die Kosten auf die Dinge erhöht, die wir jeden Tag brauchen», sagte er. Sein Klima-Programm soll den Kanadiern nicht weh tun.
Wahlversprechen nicht eingelöst
Trudeau hatte 2015 den Konservativen Premier Stephen Harper (60) aus dem Amt verdrängt. Er versprach ein modernes Kanada und stellte seine Regierung mit 50 Prozent Frauen, mit einem Ureinwohner, einem Flüchtling, einem Homosexuellen und vier Sikhs zusammen. Von seinen Versprechen hat er allerdings nicht alle eingehalten: Aus einer Wahlrechtsreform und einem ausgeglichenen Haushalt wurde bisher nichts.
Justin Trudeau ist der älteste Sohn von Pierre Trudeau (†80), der – mit kurzer Unterbrechung – von 1968 bis 1984 Premierminister Kanadas war. Scheitert Trudeau an der Wiederwahl, wäre er seit den 1930er-Jahren der erste Premierminister, der bereits nach der ersten Amtsperiode abgewählt würde.
Die Resultate der Parlamentswahlen liegen am Dienstagmorgen Schweizer Zeit vor.