Bayern wählt – nur was?
Die CSU vor dem Absturz

Im Freistaat Bayern ist nächsten Sonntag Landtagswahl. Für Spitzenkandidat Markus Söder wird es eng.
Publiziert: 08.10.2018 um 10:15 Uhr
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Aktualisiert: 11.10.2018 um 15:22 Uhr
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Markus Söder startet die Mission Zukunft. Dieser Tage überraschte er mit einem 700 Millionen Euro teuren Raumfahrt- und Hightech-Programm.
Foto: Twitter
Johannes von Dohnanyi

Humorlosigkeit kann man Markus Söder nicht vorwerfen. Doch sein Auftritt in der Maske des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber im Februar 2017 war kein Faschingsscherz, sondern eine klare Ansage für die Christlich-Soziale Union (CSU).

Jahrelang hatte er die innerparteiliche Konkurrenz mit verbalen Tiefschlägen und ausgefahrenen Ellenbogen aus dem Weg geräumt. Nun erhob Söder Anspruch auf das höchste Amt im Freistaat Bayern.
Die Heirat mit der Unternehmerstochter Karin Baumüller hatte den Maurerssohn aus der Provinz Franken in einflussreiche Kreise der Nürnberger Industrie geführt. Drei Kinder gaben dem aufstrebenden Christsozialen das Gütesiegel des Familienvaters.

Söder hat so gut wie alles falsch gemacht

Der intelligente, ruchlose und arbeitswütige Strippenzieher beherrscht das Repertoire der politischen Bierzeltpöbelei im Schlaf, ist also ein gestandenes Mannsbild, wie geschaffen zum Ministerpräsidenten der traditionsbewussten Bayern.

So zumindest mag es sich Söder vorgestellt haben, als er im vergangenen Frühjahr endlich in das ersehnte Amt gewählt wurde. Ein ebenso visionärer wie gütig-streng und heimatverbundener Landesvater wollte er sein. Jetzt zeigt sich: Söder hat so gut wie alles falsch gemacht.

Aus Angst vor der AfD näherte er sich in Sprache und Duktus dem Blut-und-Boden-Gebrüll der Rechtspopulisten an und verweigerte zugleich die Kooperation mit den demokratischen Parteien.

Gegen bestehende Gesetze versprach er zum Amtsantritt jedem neugeborenen Bayernsäugling 6000 Euro, jedem Pflegebedürftigen jährlich einen Tausender, stets das Hohelied des schönen Bayernlandes auf den Lippen – und doch ein Wegbereiter für noch mehr Industrie und Asphalt.

Erst dieser Tage überraschte er mit einem 700 Millionen Euro teuren Raumfahrt- und Hightech-Programm.
Neben original bayerischen Satelliten soll es künftig eine 400 Meter lange «Hyperloop»-Testschleife geben. Durch Röhren wie diese will Tesla-Gründer Elon Musk zukünftig Menschen per Kapsel transportieren. Rasend schnell, energiesparend, umweltschonend.

Vor einem eilig entworfenen Raumfahrtlogo mit seinem Konterfei stellte Söder diese Kopfgeburt namens Bavaria One vor. Ähnlich den Auftritten von Donald Trump, der mit seinem Wahlkampfslogan «America first» 2016 entscheidende Punkte holte.

Söder droht das schlechteste Ergebnis seit 1950

Mit seinem provinziellen Plagiat aber machte sich Söder nicht nur in Bayern zur Lachnummer. Eine Woche vor den Landtagswahlen erlebt der Regierungschef zudem einen nicht enden wollenden Albtraum.
Während Vorgänger Horst Seehofer, heute Innenminister in Berlin, vor fünf Jahren noch die absolute Mehrheit holte, droht der CSU diesmal ein Absturz auf nur noch 33 Prozent – ein veritables Desaster, das Söder auch mit seinen scharfen Angriffen der letzten Tage auf die AfD nicht mehr verhindern dürfte.

Die CSU bliebe zwar laut Prognosen die stärkste Partei im Freistaat. Doch Söder droht das schlechteste Ergebnis seit 1950. Zum zweiten Mal in sechzig Jahren müsste die Partei dann eine Koalition eingehen. Viel Auswahl hat Söder dabei nicht. Eine Partnerschaft mit der AfD schloss er bereits aus; mit den Grünen will er nicht; die SPD befindet sich in Bayern definitiv auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.

Die CSU sieht ihren Führern traditionell jeden Fehler nach – bis hin zur erwiesenen Korruption. Unverzeihlich aber ist ein Verlust der alleinigen Macht in München. Söder und Seehofer droht die Verbannung in die politische Bedeutungslosigkeit.

Eigentlich braucht Deutschland die CSU so dringend wie nie

Verdient hätten sie es allemal. Eigentlich braucht Deutschland die CSU so dringend wie nie. Wie keine andere Partei hat sie bewiesen, dass die Verbindung von ländlicher Traditionspflege und urbaner Moderne nicht nur möglich, sondern auch extrem erfolgreich sein kann. Seit Franz Josef Strauss hat sich Bayern in einen innovativen Wirtschaftsstandort verwandelt, von dessen Wohlstand auch der ländliche Raum profitierte.

Damit aber ist es inzwischen vorbei. Anstatt mit einem überzeugenden Programm zu punkten, haben Söder und Seehofer die beiden Seelen Bayerns gegenei­nander aufgehetzt und mit ihrer verantwortungslosen Angst-Propaganda gegen Flüchtlinge und Migranten den Niedergang der einst so stolzen CSU herbeigeredet.

Ohne ein Wunder in letzter Sekunde ist das bayrische Erfolgsmodell am nächsten Sonntagabend Geschichte.

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